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Ist doch eine sehr gute Entwicklung. Worüber diskutieren wir hier also? 😅
Deutschland als eine Drehscheibe des Menschenhandels zur sexuellen Ausbeutung - was sagen die Statistiken des BKA?
Welche Auswirkungen hätte die Einführung des Sexkaufverbots (Nordisches Modell)?
I. BKA, Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS)
PKS 2018; Zeitreihen-Übersicht, Falltabellen (Grundtabelle ab 1987); Stand 4. April 2019
Quelle:
https://www.bka.de/DE/AktuelleInform...heKriminalstat istik/PKS2018/Zeitreihen/zeitreihenFaelle.html?nn=108686
I.1 Zuhälterei nach § 181a StGB (Fallzahlen)
Zuhälterei § 181a StGB
1990 583
Zuhälterei § 181a StGB
Zuhälterei §§ 181 Abs. 1 Nr. 1, 181a StGB Zuhälterei §§ 181 Abs. 1 Nr. 1, 181a StGB Zuhälterei §§ 181 Abs. 1 Nr. 1, 181a StGB Zuhälterei §§ 181 Abs. 1 Nr. 1, 181a StGB Zuhälterei §§ 181 Abs. 1 Nr. 1, 181a StGB Zuhälterei §§ 181 Abs. 1 Nr. 1, 181a StGB Zuhälterei §§ 181 Abs. 1 Nr. 1, 181a StGB Zuhälterei gemäß § 181a StGB
Zuhälterei gemäß § 181a StGB
Zuhälterei gemäß § 181a StGB
Zuhälterei gemäß § 181a StGB
Zuhälterei § 181a StGB
Zuhälterei § 181a StGB
1991 571 1993 597 1995 634 1997 784 1999 791 2001 1.010 2003 578 2005 436 2007 360 2009 298 2011 238 2013 273 2015 229 2017 140
Zuhälterei § 181a StGB
1992 388
Zuhälterei §§ 181 Abs. 1 Nr. 1, 181a StGB
1994 561
Zuhälterei §§ 181 Abs. 1 Nr. 1, 181a StGB
1996 778
Zuhälterei §§ 181 Abs. 1 Nr. 1, 181a StGB
1998 685
Zuhälterei §§ 181 Abs. 1 Nr. 1, 181a StGB
2000 1.104
Zuhälterei §§ 181 Abs. 1 Nr. 1, 181a StGB
2002 667
Zuhälterei §§ 181 Abs. 1 Nr. 1, 181a StGB
2004 476
Zuhälterei gemäß § 181a StGB
2006 422
Zuhälterei gemäß § 181a StGB
2008 282
Zuhälterei gemäß § 181a StGB
2010 264
Zuhälterei gemäß § 181a StGB
2012 229
Zuhälterei gemäß § 181a StGB
2014 256
Zuhälterei § 181a StGB
2016 209
Zuhälterei § 181a StGB
2018 140
I.2 Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung (gemäß) § 232 StGB (Falltabellen):
-2-
Jahr
2006 712
2007 655
2008 704
2009 811
2010 621
2011 636
2012 558
2013 473
2014 482
2015 505
Aufklärungsquote nichtdeutsche
erfasste Fälle
in %
Tatverdächtige in %
91,7 642 50,8 85,2 681 49,6 89,6 671 53,8 88,7 795 56,7 84,4 684 66,5 84,9 692 63,4 86,2 695 67,2 81,2 534 71,3 82,8 485 70,7 85,9 567 75,5
Tatverdächtige
2016 2017* 2018*
487 335 339
78,9
484 382 325
69,2
(*bis 2016 unter Schlüssel-Nr. 236000, in 2017 teilweise unter Nr. 236000 und teilweise unter Nr. 239100 erfasst, ab 2018 nur noch unter Nr. 239100)
I.3 Ausbeutung von Prostituierten nach § 180a StGB (Falltabellen):
Ausbeuten von Prostituierten § 180a StGB
2002 620
Ausbeuten von Prostituierten § 180a StGB Ausbeuten von Prostituierten § 180a StGB Ausbeuten von Prostituierten § 180a StGB Ausbeuten von Prostituierten § 180a StGB Ausbeuten von Prostituierten § 180a StGB Ausbeuten von Prostituierten § 180a StGB Ausbeuten von Prostituierten § 180a StGB Ausbeuten von Prostituierten § 180a StGB
2003 326 2005 130 2007 58 2009 62 2011 62 2013 35 2015 33 2017 15
Ausbeuten von Prostituierten § 180a StGB
2004 194
Ausbeuten von Prostituierten § 180a StGB
2006 103
Ausbeuten von Prostituierten § 180a StGB
2008 58
Ausbeuten von Prostituierten § 180a StGB
2010 50
Ausbeuten von Prostituierten § 180a StGB
2012 44
Ausbeuten von Prostituierten § 180a StGB
2014 45
Ausbeuten von Prostituierten § 180a StGB
2016 24
Ausbeuten von Prostituierten § 180a StGB
2018 29
-3-
Betrachtet man den 10-Jahreszeitraum 2009-2018, ergibt sich ein Rückgang der Fallzahlen ● von Zuhälterei (Fälle) um 53 %,
● von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung um 58,2 % (Fälle) bzw. um 59,1 % (Tatverdächtige) sowie
● von Ausbeutung von Prostituierten (Fälle) um 53,2 %.
Allein in den letzten 5 Jahren (2014-2018) lagen die Rückgänge
● bei der Zuhälterei bei 45,3 %,
● beim Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung bei 29,7 % (Fälle) bzw. 33,0 % (Tatverdächtige) und
● bei der Ausbeutung von Prostituierten bei 35,6 % (Fälle).
Es ist zu betonen, dass es sich hier um Fälle polizeilicher Ermittlungen bzw. um Tatverdächtige, nicht um Verurteilte handelt. Dass in einem Teil der Fälle die Beweislage nicht ausreichen mag, um zu einer rechtskräftigen Verurteilung zu führen, spielt in dieser Statistik also gar keine Rolle. Sie schließt Fälle ohne erfolgreiche Täterermittlung und solche mit Freispruch des Tatverdächtigen ein, ist also völlig unabhängig vom Ausgang des Strafverfahrens bzw. der strafrechtlichen Bewertung durch das Gericht.
Zum Vergleich: Die Gesamtanzahl aller Straftaten (ohne Ordnungswidrigkeiten) ist in 2018 im Vergleich zu 2014 nur um 8,7 % und im Vergleich zu 2009 nur um 8,2 % zurückgegangen. Die Rückgänge der Fallzahlen bei Zuhälterei, Menschenhandel und Ausbeutung von Prostituierten liegen somit weit über dem allgemeinen Rückgang an Straftaten.
II. BKA: Bundeslagebilder Menschenhandel (jährliche Spezialberichte des BKA)
Quelle:
https://www.bka.de/DE/AktuelleInform...der/Menschenha ndel/menschenhandel_node.html
Abgeschlossene polizeiliche Ermittlungsverfahren
(stellen auf das Jahr ab, in dem das polizeiliche Ermittlungsverfahren abgeschlossen wurde, d.h. es ist eine zeitliche Verzögerung gegenüber der Fallmeldung im Sinne von I.1 – I.3 möglich)
Erfasst wurden: Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung, wobei verschiedene Tatbestände (zum Teil auch in Kombination) erfüllt sein können: §§ 232 StGB ff alt und neu;
§ 80a/§181a StGB
2007458136689953217 71481
-4-
Jahr
Anzahl gesamt
abgeschlossene
Verfahren
Anzahl abgeschl. Verfahren nur deutsche Opfer
Anzahl Opfer
% weibliche Opfer
% der Verfahren: Kontakt- Aufnahme durch Opfer
% der
Verfahren: Hinweise/Anzeigen bei der Polizei/ durch Dritte
Anzahl Tatver- dächtige
Anzahl minder- jährige Opfer
2008 482
2009 534
2010 470
2011 482
2012 491
2013 425
2014 392
2015 364
2016 363
2017 327
2018 356
161 676 89 43 19 138 710 87 34 k.A. 102 610 96 40 25,1 109 640 94 43 28,2 109 612 96 41 31,6 72 542 96 42 34 83 537 95 49 36,2 87 416 96 44 39 72 488 95 40 42 65 489 99 46 39 66 430 96 45 38
785 166 777 145 730 87 753 90 769 100 625 70 507 57 573 77 524 96 523 65 552 68
Die Maximalzahl an abgeschlossenen Verfahren wurde bereits vor 10 Jahren (2009) erreicht. Seitdem gab es einen Rückgang um 39 % bis 2017 bzw. 33,3 % bis 2018.
Die Anzahl der Opfer erreichte ebenfalls 2009 das Maximum und ist bis 2018 nahezu stetig um 39,4 % zurückgegangen. Die Anzahl der Tatverdächtigen erreichte bereits 2008 das Maximum und ist seither um 33,4 % (2017) bzw. 29,7 % (2018) zurückgegangen.
Die Anzahl der minderjährigen Opfer erreichte in den Jahren 2008-2009 das Maximum (166 bzw. 145 Verfahren) und ist seither um mehr als die Hälfe zurückgegangen (2018 vs. 2008: - 59 %).
Der Begriff „Menschenhandel“ impliziert bei Personen ohne Vorkenntnissen, dass ein Täter oder eine kleine Gruppe von Tätern mehrere Menschen oder ganze Gruppen von Menschen in die sexuelle Ausbeutung treibt – vergleichbar dem früheren Sklavenhandel. So wie ein „Online-Händler“ ja in der Regel auch nicht nur einmal eine einzige Ware verkauft, sondern „viele“ im Angebot hat.
Die Öffentlichkeit stellt sich unter dem Begriff „Menschenhandel“ daher einen Täter (oder eine kleine Gruppe von Tätern) vor, die eine größere Anzahl an Frauen verschleppt. Wie die Zahlen allerdings zeigen, gab es mit Ausnahme des Jahres 2014 immer mehr Tatverdächtige als Opfer (0,73 bis 0,96 Opfer pro Tatverdächtigem).
-5-
Aussagekräftig ist auch die Initiierung der Verfahren (wie kam es überhaupt zu dem polizeilichen Ermittlungsverfahren?).
Wurden in den Jahren 2007 und 2009 nur etwa ein Drittel der Verfahren dadurch ausgelöst, dass sich die Opfer (allein oder in Begleitung) selbst an die Polizei wandten, liegt dieser Anteil in den letzten Jahren stabil über 40 % und im Durchschnitt der fünf letzten Berichtsjahre sogar bei 45 % (2014-2018), im Durchschnitt der fünf vorausgehenden Jahre (2009 – 2013) bei 40 %. Der Anteil der Opfer von Menschenhandel, der sich selbst (allein oder in Begleitung von Dritten) an die Polizei wendet, steigt also an.
Noch gravierender sind die Veränderungen beim Anteil der Verfahren, die dadurch ausgelöst wurden, dass die Polizei Hinweise oder Anzeigen durch Dritte erhielt, also nicht eigeninitiativ, sondern reaktiv tätig wurde. Auch wenn dies nicht explizit statistisch ausgewiesen wird und manche Hinweise auch anonym erfolgt sein könnten, ist hier unter anderem an die Rolle von Freiern, Kolleginnen oder Betreibern zu denken. Dieser Anteil hat von 17 % in 2007 und 19 % in 2009 (bezogen auf „alle Verfahren“) ebenfalls kontinuierlich zugenommen und liegt jetzt bei Werten um 40 % (Durchschnitt 2014-2018: 39 %).
Betrachtet man die letzten 5 Jahre, so wurden damit insgesamt durchschnittlich 84 % aller Verfahren entweder durch die Opfer selbst oder durch Dritte (wie z.B. Kolleginnen, Freier, Betreiber) ausgelöst. In 2007 waren es gerade einmal 49 %, in 2010 erst 65 %.
Opfer und Dritte wie Freier und Kolleginnen sind somit „meldefreudiger“ geworden, was umgekehrt bedeutet, dass das Risiko, dass Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung „auffliegt“, gestiegen ist. Nur noch 16 % der Fälle wurden in den letzten fünf Jahren durch polizeiliche Eigeninitiative ohne konkrete Hinweise durch Opfer oder Dritte aufgedeckt; in 2007 waren es noch über 50 %, in 2008 noch 38 %, in 2010 noch 35 %.
Das trifft auch Aussagen über die Dunkelziffer nicht entdeckter Fälle. Je größer die Anzahl bzw. der Anteil der Fälle, die durch spontane Aktionen der Polizei aufgedeckt werden (ohne konkrete vorausgehende Hinweise/Anzeigen), umso größer die Dunkelziffer. Spontane eigeninitiative Aktionen der Polizei scheinen also in jüngerer Zeit nicht mehr so viel zu „bringen“ (vgl. Tabelle unten): also muss die Dunkelziffer erheblich geringer worden sein.
Das bedeutet dann aber auch, dass die BKA-Statistiken den tatsächlichen Rückgang des Menschenhandels zur sexuellen Ausbeutung (Dunkelfell + Hellfeld) unterschätzen. Das Dunkelfeld muss deutlich kleiner geworden sein, sonst hätten sich sowohl absolute Anzahl wie relativer Anteil der eigeninitiativ von der Polizei aufgedeckten Fälle nicht so stark verringern können (vgl. Tabelle):
Initiierung der Verfahren:
2007458 32 147 17 2008482 43 207 19
78 51 234 92 38 183 k.A. k.A. 118 34,9 164 136 28,8 139 155 27,4 135 145 24 102
142 14,8 58 142 17 62 152 18 65 128 15 49 135 17 61
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Jahr
Anzahl abgeschlossene Verfahren gesamt
% der Verfahren: Kontakt- Aufnahme durch Opfer
Anzahl von
% der
Verfahren: Hinweise/Anzeigen bei der Polizei/ durch Dritte
Anzahl von Verfahren durch
bei Polizei durch Dritte*
% der Verfahren Eigenititativ Durch Polizei
Verfahren
durch
Kontaktaufnahme
durch Opfer*
Anzahl von
Verfahren
entdeckt/ausgelöst
durch
eigeninitative/
spontane
Hinweise/
Anzeigen
Maßnahmen
der Polizei*
2009 534
2010 470
2011 482
2012 491
2013 425
2014 392
2015 364
2016 363
2017 327
2018 356
34 182 k.A. 40 188 25,1 43 207 28,2
41 201 31,6
42 179 34
49 192 36,2 44 160 39 40 145 42 46 150 39 45 160 38
* errechnet aus den Prozentzahlen; daher sind bei der Addition kleine Abweichungen von der Anzahl der zweiten Spalten infolge von Rundungsdifferenzen bei den Prozenten denkbar
Da die Gesamtanzahl der Verfahren deutlich zurückging, nahm trotz leicht steigenden Anteils von durch Opfer ausgelöste Verfahren auf durchschnittlich 45 % deren absolute Anzahl von ca. 200-210 in 2011/2012 auf 145-160 in 2016-2018 zurück.
Der Anteil der durch Hinweise/Anzeigen durch Dritte (z.B. Freier, Kolleginnen, Betreiber usw.) ausgelösten Verfahren nahm stark zu (mehr als Verdoppelung); die maximale Anzahl wurde in den Jahren 2012 bis 2016 (142 – 155) beobachtet. Im Rahmen des deutlichen Rückgangs der Gesamtfallzahl in den letzten Jahren nahm dann auch die absolute Anzahl der von Dritten ausgelösten Verfahren zuletzt leicht ab.
Die Anzahl der durch spontane, nicht-anlassbezogene Aktionen bzw. eigeninitiativ durch die Polizei aufgedeckte Verfahren hat sich in den letzten Jahren bei ca. knapp 60 Fällen eingependelt (Durchschnitt der letzten 5 Berichtsjahre: 59 Fälle) und liegt damit nur noch bei etwa einem Viertel der Fallzahl von 2007, gefolgt von einem stetigen Rückgang von 2008 bis 2014.
Diese Fallzahl ist besonders wichtig, weil sie Hinweise gibt auf die Dunkelziffer. Wenn spontane Polizeiaktionen und –kontrollen jetzt viel weniger Menschenhandels-Fälle aufdecken können als noch vor einigen Jahren, muss auch die bisher nicht erfasste
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Dunkelziffer (d.h. die bisher nicht erfassten Fälle) entsprechend zurückgegangen sein. Schließlich kann in einem Umfeld, in dem so intensiv über Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung diskutiert wird wie in den letzten Jahren, nicht der Polizei unterstellt werden, dass sie ihre Aktivitäten auf diesem Gebiet zurückgefahren habe. Ganz im Gegenteil, dürfte das ProstSchG und die damit verbundene staatliche „Aufsicht“ über Betriebe und Prostitution zu einem vermehrten Einsatz der Polizei auf diesem Gebiet (z.B. zur Unterstützung oder unter Hinzuziehung durch die Ordnungsämter) geführt haben. Vor diesem Hintergrund ist es umso bemerkenswerter, dass es in 2018 zu keinem deutlichen Anstieg der Fallzahlen und sogar zu einem weiteren Rückgang der Opferzahlen kam. (Auch wenn das ProstSchG zum 1.7.2017 in Kraft trat, waren die Kontrollstrukturen der Ordnungsämter meist erst 2018 etabliert).
Schlussfolgerungen
Der Kampf gegen den Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung ist in Deutschland zu einer Erfolgsstory geworden! Offenbar wird Deutschland als Zielland allmählich, aber beständig und stetig, immer unattraktiver, zu „gefährlich“ und daher zunehmend gemieden. Dritten (wie Kolleginnen, Freiern oder Betreibern) kommt in den letzten Jahren eine wesentliche Rolle bei der Aufdeckung von Fällen zu.
Eigeninitiative, spontane, nicht anlassbezogene Aktionen der Polizei bringen dagegen nur noch vergleichsweise wenige neue Fälle (Verfahren) ans Licht – was als Hinweis auf einen starken Rückgang der Dunkelziffer gewertet werden muss.
Die Einführung des Nordischen Modells und die damit verbundene Freierbestrafung und Zerstörung der prostitutiven Infrastruktur würden vor allem den Weg zur Aufdeckung von Menschenhandelsfällen und sexueller Ausbeutung „durch Dritte“ völlig verschließen. Es werden dann keine Freier mehr Hinweise geben, und wenn die Prostitution heimlich im „Untergrund“ bzw. im Verborgenen stattfindet, z.B. an heimlich via Internet oder Whatsapp vereinbarten Orten, gibt es auch keine Kolleginnen oder Betreiber wie in den bisherigen Mittel- und Großeinrichtungen mehr, die Hinweise zum Menschenhandel und Ausbeutung liefern könnten. Die bisherige Erfolgsstory würde zusammenbrechen!
Das ProstSchG und die damit verbundene erhöhte Sensibilität vor allem der Betreiber hat bereits jetzt dazu geführt, dass die Anzahl der Opfer, die in Bar- oder Bordellbetrieben arbeiteten, von 50 % noch in 2017 auf 38,4 % in 2018 zurückgegangen ist, nachdem dieser Anteil in den Jahren zuvor angestiegen war (BKA-Lageberichte). Es ist seither riskanter geworden, Opfer von Menschenhandel in diesen Einrichtungen unterzubringen. Wie bereits dargelegt, stellen die BKA-Lageberichte auf die in 2017 bzw. 2018 abgeschlossenen Verfahren ab – die Aufdeckung kann also schon (Jahre) zuvor erfolgt sein.
Welche Rolle die Anmeldung („Registrierung“) nach dem ProstSchG spielt, verdeutlichen Zahlen aus dem BKA-Lagebericht 2018, die auf die im Jahr 2018 (neu) festgestellten Opfer abstellen (also ohne die oben genannte Zeitverzögerung bis zum Abschluss des Verfahrens):
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Von den „neuen“ Opfern (des Jahres 2018) hatten nur 9,5 % eine angemeldete Tätigkeit in der Prostitution. 72,3 % hatten keine Anmeldung nach dem ProstSchG (für den Rest lagen offenbar keine diesbezüglichen Angaben vor). Frauen ohne Anmeldung können aber in Bordellen, Clubs, Laufhäusern und anderen von Betreibern geführten Einrichtungen gar nicht mehr arbeiten, weil ansonsten der Betreiber das Risiko eines hohen Bußgeldes eingeht und seine Zuverlässigkeit infrage gestellt würde, was zum Entzug der Betriebserlaubnis führen kann – ein Risiko, das kein Betreiber mehr eingehen kann. Diese Zahlen verdeutlichen, dass es seit der tatsächlichen Umsetzung des ProstSchG sehr schwierig geworden ist, Opfer von Menschenhandel in betreibergeführten Prostitutionsstätten unterzubringen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die tatsächliche Umsetzung des ProstSchG durch die Ordnungsämter in vielen Regionen erst im Jahresverlauf 2018 begann und auch Ende 2018 noch nicht flächendeckend etabliert war. Die Zahlen von 2018 repräsentieren daher noch nicht die Situation, die eine zeitlich und regional flächendeckende Umsetzung des ProstSchG, was die Überwachung der Betreiberseite anbetrifft, abbildet.
Leider unterscheiden die Statistiken des BKA auch nicht zwischen Bar- und Bordellbetrieben, sondern fassen beide in einer Kategorie zusammen. In einer Bar, die nicht offiziell als Prostitutionsstätte fungiert, könnte sich theoretisch eine nicht-angemeldete Prostituierte den Kunden anbieten, ohne dass der Betreiber mit Konsequenzen zu rechnen hätte.
Das Nordische Modell würde aber auch die Chance, bei eigeninitiativen Polizeiaktionen Opfer von Menschenhandel aufzudecken, verringern. Gibt es heute noch Großbetriebe mit Dutzenden Frauen, unter denen man Opfer bzw. Verdachtsfälle entdecken könnte, wird man unter dem Nordischen Modell mit viel Mühe und Aufwand nur noch auf einzeln oder höchstens in sehr kleinen Gruppen zusammen arbeitende Prostituierte antreffen. Eine im Hellfeld erkennbare prostitutive Infrastruktur wird es nicht mehr geben – nicht wegen der Angst der Prostituierten (das Anbieten von Sexdienstleistungen bleibt ja legal), sondern wegen der Angst der Freier vor Entdeckung.
Der Aufwand „pro kontrollierte SW“ würde also massiv ansteigen gegenüber den heutigen Möglichkeiten in einer hoch entwickelten, gut sichtbaren prostitutiven Infrastruktur einschließlich Mittel- und Großbetrieben, und mit gleichem Zeit- und Personalaufwand seitens der Polizei könnte nur ein kleiner Bruchteil jener Anzahl von Prostituierten überprüft werden, der heute möglich ist.
Die Einführung des Nordischen Modells würde also nicht nur die Meldungen von Verdacht auf Menschenhandel/sexuelle Ausbeutung durch Dritte wie Freier, Kolleginnen und Betreiber zum völligen Erliegen bringen, sondern auch die Effizienz eigeninitiativer, nicht anlass- bezogener Polizeiaktionen drastisch schwächen. Außerdem würde und müsste sich die Polizei dann viel mehr auf die Freier konzentrieren, denn diese sind jetzt Straftäter, als auf die Prostituierten selbst. Anstelle der Prostituierten (legaler Aufenthalt? angemeldet? mögliches Opfer von Zwang/Menschenhandel?) würden die Freier in den Fokus der polizeilichen Kontrollen, Überwachungen und Ermittlungen rücken – dafür würden erhebliche Ressourcen benötigt, die von der Überwachung der Prostituierten abgezogen werden.
Wenn auf einem Markt zwei Personengruppen agieren – auf der einen Seite die illegalen Freier als Straftäter, auf der anderen Seite die a priori zunächst einmal legalen Prostituierten-, dann ist es klar, für welche Seite sich die Polizei interessiert bzw. interessieren muss.
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In der Folge würde das Umfeld für Menschenhändler wieder günstiger, denn das einzige Risiko, das sie dann noch eingehen, würde darin bestehen, dass ihre Opfer selbst zur Polizei gehen. Es liegt dann in der Hand der Menschenhändler selbst, durch geeignete Kontrollmaßnahmen diesen Weg zu unterbinden.
Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung wird unter den Bedingungen der Nordischen Modells in Deutschland daher weniger riskant, Menschenhändler können sich wieder sicherer fühlen.
Es kommt also gar nicht darauf an, ob das Nordische Modell in anderen Ländern angebliche oder tatsächliche Erfolge im Kampf gegen Menschenhandel gezeigt hat oder nicht. Alle diese Länder hatten eine völlig abweichende Ausgangssituation bei Einführung des Nordischen Modells. Für Deutschland kann nur die Ausgangslage zugrunde gelegt werden, die zurzeit tatsächlich in Deutschland herrscht, und hier wird aus den o.g. Zahlen sehr deutlich, dass die Einführung des Nordischen Modells mit seiner Freierbestrafung und dem Zusammenbruch der (sichtbaren) prostitutiven Infrastruktur
● (Verdachts-)Meldungen von Freiern, Kolleginnen, Betreibern u.a. (die zurzeit knapp 40 % aller Verfahren auslösen) praktisch völlig entfallen werden
● eigeninitiative (anlass-unabhängige) Aktionen der Polizei weit weniger Fälle aufdecken können als bisher, da unter dem Nordischen Modell nur noch allein oder in sehr kleinen Gruppen arbeitende Prostituierte angetroffen würden, deren Standorte mühsam ermittelt werden müssen (statt einer prostitutiven Infrastruktur im Hellfeld einschl. Mittel- und Großbetriebe)
● außerdem müsste die Polizei den Einsatz ihrer Ressourcen auf die Verfolgung der Freier (als Straftäter) konzentrieren, was zwangsläufig zulasten der Überwachung der Prostituierten geht, die ja weiterhin legal arbeiten
● Menschenhändler würden daher viel geringere Risiken der Aufdeckung eingehen (das Restrisiko wäre beschränkt auf die Möglichkeiten, dass sich die Opfer selbst als solche offenbaren)
● Deutschland würde für Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung wieder deutlich attraktiver, da Sexarbeit nur noch im Verborgenen stattfinden kann (wegen der Angst der Kunden vor Entdeckung) – im Verborgenen ist aber auch keine Anmeldung/Registrierung vonnöten und im Verborgenen lassen sich Opfer von Menschenhandel viel leichter unterbringen als in einer von zuverlässigkeitsgeprüften und mit Entzug der Betriebserlaubnis bedrohten Betreibern geschaffenen prostitutiven Infrastruktur im Hellfeld
Mit Einführung des Nordischen Modells würde Deutschland als Zielland für Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung wieder deutlich attraktiver!
Auswirkungen der Einführung des Nordischen Modells in Deutschland
(MH = Menschenhandel, MHO = Menschenhandels-Opfer)
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