Nobelpreisträgerin Oleksandra Matwijtschuk im Interview
Grausamkeit ist Teil der russischen Kultur
Das "Zentrum für bürgerliche Freiheiten" dokumentiert russische Kriegsverbrechen.
Seit Beginn des Krieges haben Sie 27.000 Fälle registriert.
Was sind das für Verbrechen?
Das sind Angriffe auf Fluchtkorridore, gezielter Beschuss und Zerstörung von Kirchen, Schulen, Krankenhäusern und ganzen Stadtvierteln. Das sind Filtrationslager, in denen Menschen illegal festgehalten, gefoltert und getötet werden. Es ist die Deportation großer Teile der Bevölkerung auf russisches Gebiet, Zwangsadoption ukrainischer Kinder. Wir registrieren, wie Russland die ukrainische Identität in den besetzten Gebieten zerstört. Für uns ist offensichtlich, dass dieser Krieg völkermörderischen Charakter hat.
Können Sie das näher erläutern?
Menschenrechtler aus Syrien warnten uns davor, medizinische Hilfe mit speziellen Kennzeichen zu versehen, da die Russen genau darauf zielen. Das Gleiche gilt für das Wort "Kinder": Das Theater in Mariupol, vor dem in großen Buchstaben "Kinder" stand, wurde dem Erdboden gleichgemacht, obwohl - oder weil - sich mehrere Hundert Menschen darin befanden. Zivilisten werden als menschliche Schutzschilder in Kellern von Gebäuden festgehalten, in denen die Besatzer stationiert sind. In allen befreiten Städten und Dörfern entdecken wir Folterkeller. Dort werden Menschen in Stücke geschnitten, ihre Gliedmaßen werden abgetrennt, Nägel abgerissen, sie werden mit Elektroschocks gefoltert. Dies ist eine für das 21. Jahrhundert unvorstellbare Grausamkeit, die zu einem Teil der russischen Kultur geworden ist. Man spricht so gerne über die russische Kultur - ich sehe sie so.
Woher kommt Ihrer Meinung nach diese Grausamkeit?
Von der Straflosigkeit. Die Russen glauben wirklich, sie können tun, was sie wollen. Sie sind nie dafür bestraft worden. Sie glauben, dass das Gesetz nichts für sie ist. Eine russische Kollegin hat mir einmal gesagt: "Was überrascht dich denn? Wir hatten Professoren für Völkerrecht an der Moskauer Staatsuniversität, die sagten, das Völkerrecht sei etwas für Schwächlinge. Wir sind eine starke Nation." Diese Straffreiheit ist nicht nur eine Bedrohung für die Ukraine und andere Nachbarländer, sondern für die ganze Welt.
In Deutschland hört man von den Gegnern der Militärhilfe für die Ukraine immer öfter den Slogan "Das ist nicht unser Krieg". Was halten Sie davon?
Diese Leute sollten Putins Reden lesen, dann werden sie verstehen, gegen wen er den Krieg führt. Die Ukraine wird dort selten erwähnt. Es ist kein Krieg zwischen zwei Ländern, es ist ein Krieg zwischen zwei Systemen: Autoritarismus und Demokratie. Als sich die Ukraine 2014 für die Demokratie entschied, begann Putin diesen Krieg - um uns zu stoppen. In der Tat herrscht auch in Europa seit langem Krieg: Informationskrieg, diplomatischer Krieg, Energiekrieg, Wirtschaftskrieg. Das Wichtigste ist, rechtzeitig die richtigen Schritte zu unternehmen, damit die militärische Komponente nicht noch dazukommt. Denn wenn Putin in der Ukraine nicht gestoppt wird, wird er noch weiter gehen. Es ist sehr naiv, von ihm zu erwarten, dass er aufhört. Die Geschichte zeigt, dass autoritäre Führer einen sehr großen Appetit haben. Und sie hören erst auf, wenn sie aufgehalten werden.
Aber einige Menschen scheinen genau das zu wollen - einen starken Anführer, ein autoritäres Regime.
Es erstaunt mich immer wieder, dass Menschen, die von Autoritarismus und "starken Anführern" schwärmen, in entwickelten Demokratien leben. Sie sollten mal nach Russland ziehen. Es ist sehr einfach, Putin zu unterstützen, während man in Deutschland ist und alle Vorteile der westlichen Zivilisation genießt. Aber wenn Sie ihn unterstützen, ziehen Sie doch zurück in das Land - oder eher das System -, das Sie unterstützen. Mal sehen, wie lange Sie es dort aushalten.
Kriegsgefange mussten arbeiten und die Niederlage 1870/71 war auch noch in den Köpfen.
Mein Opa erzählte mir:
Ein Französicher Soldat vergewaltigte die Frau/volljährige Tochter [weiß ich nicht mehr so genau)
1945 nach dem der Krieg aus war.
Der Ehemann/Vater bracht ihn mit der Mistgabel um.
Normal Knast/Kriegsgericht/Evtl. Todesurteil
Sein Vorgesetzer Offizier verhängte keine Strafe. Da er sagte das sei der Vergewaltiger dann selber schuld, da man das als französicher Soldat nicht zu tun habe. Man würde die Ehre der Kompanie beschmutzen.
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"Ich habe viel Geld für Alkohol, Weiber und schnelle Autos ausgegeben. Den Rest hab ich einfach nur verprasst." George Best, britische Fußball-Legende.
Ich habe keinen Überblick was die Nazis in WW2 so an Kriegsverbrechen begangen haben - die Russen waren damals aber auf jeden Fall gut mit Kriegsverbrechen unterwegs.
Es waren nicht nur die Deutschen und die Russen mit Kriegsverbrechen unterwegs, sondern alle anderen haben sich da auch nicht wirklich viel genommen.
Bei den hauptsächlich Briten und auch den Amerikanern wäre der Bombenkrieg gegen die deutsche Zivilbevölkerung zu nennen, der ab spätestens Frühjahr 1942 als Terrormaßnahme geplant war und durchgeführt wurde. Auch das waren Kriegsverbrechen und auch nach damaliger Auffassung / Rechtslage.
Bei den Amerikanern wären noch so Dinge wie der Morgenthau-Plan zu nennen, der auch problemlos auch irgendeinem Reichsministerium oder Sicherheitshauptamt stammen könnte.
Beschreibungen darüber, wie es unter den Franzosen zuging, gibt es auch. Das standen beim Vergewaltigen von Frauen den Russen auch nicht so viel nach.
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Moralische Entrüstung besteht in den meisten Fällen aus 2% Moral, 48% Hemmungen und 50% Neid (François de La Rochefoucauld).
Wenn ich mir anschaue, was alleine Deutschland in nicht einmal zwei Jahrzehnten so alles zustande gebracht hat, dann ist nicht die Frage, ob Grausamkeit ein Teil der russischen Kultur ist, sondern warum Gesellschaften immer wieder derart entarten können. Aber Deutschland steht damit ja in bester Gesellschaft so ziemlich vieler Länder.
Dann wäre die Frage, ob manche Gesellschaften öfter entarten als andere und was die Kipppunkte für solche Entartungen sind.
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Moralische Entrüstung besteht in den meisten Fällen aus 2% Moral, 48% Hemmungen und 50% Neid (François de La Rochefoucauld).
Aber auch "neuere" Konflikte - egal ob von Ost oder West losgetreten - das ist doch ohnehin wie die Geschichte vom Weihnachtsmann, dass man nur Soldaten tötet.
Im von den USA und Großbritannien maßgeblich losgetretenen Krieg im Irak kamen viele Zivilisten ums Leben.
Auch in den letzten Jahren trafen die USA leider viele Zivilisten, siehe z.B. https://www.spiegel.de/ausland/usa-n...1-5a13452bceab
Ich will damit keinesfalls irgendeine russische Gewaltaktionen relativierenn oder gut heißen.
Die Judenvernichtung im dritten Reich oder auch die Auslöschung der amerikanischen Ureinwohner sind wohl die schlimmsten Kapitel menschlicher Grausamkeit.
Aber dass solche Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Jahr 2022/ 2023 immer noch "geduldet", "geleugnet", "verharmlost" oder sogar "befürwortet" und "unterstützt" werden - in der Ukraine aber auch in anderen Erdteilen - das ist ein sehr trauriges Armutszeugnis für die Gattung Mensch.
Ich habe keinen Überblick was die Nazis in WW2 so an Kriegsverbrechen begangen haben - die Russen waren damals aber auf jeden Fall gut mit Kriegsverbrechen unterwegs.