Diese Logiken wie und warum Sexarbeit verboten oder verunmöglich gemacht werden soll finde ich jedes mal verblüffend, so als ob man Banken verbietet, damit kein Bankraub mehr stattfinden kann.
Die Studie wurde schon vor ca. sechs Wochen veröffentlicht. Meine Äußerungen dazu vom 27.06.2023 aus dem Thread "Prostitutionsverbot in Schweden soll exportiert werden" der Einfachheit hier noch mal in Kopie:
Befürworter des Nordischen Modells machen weiter mobil
Gestern ist eine beim Nomos-Verlag publizierte Studie mit immerhin 332 (!) Seiten veröffentlicht worden, die u.a. zum Ergebnis kommt, dass das Prostitutionsgesetz verfassungswidrig sei. Autoren sind Frau Prof. Elke Mack, Sozialwissenschaftlerin an der Katholisch - Theologischen Fakultät der Uni Erfurt und Prof. Dr. Ulrich Rommelfanger, ein Wiesbadener Fachanwalt für Verwaltungsrecht, der als Verfassungsrechtler bezeichnet wird.
In diesem Werk wird die geltende deutsche Prostitutionsgesetzgebung (ProstG i.V.m. ProstSchG) durch einschlägige Expert:innen einer rechts-ethischen und verfassungsrechtlichen Prüfung unterzogen. Insofern wird die gesetzgeberische Annahme der Freiwilligkeit des Sexkaufs hinterfragt, ebenso wie ein Recht auf die sexuelle Selbstbestimmung der Prostituierten im Hinblick auf ihre Würde geprüft.
Hierzu wird in einem ersten Schritt die Legalisierung der Prostitution in einen völkerrechtlichen und europarechtlichen Kontext gestellt und die sachlichen und die personen-bezogenen Folgewirkungen für die Betroffenen untersucht. Schließlich wird die Einhaltung der Menschenwürde in der Prostitution rechtsethisch beantwortet.
In einem zweiten Schritt schließt sich die Prüfung der bestehenden Gesetzgebung auf ihre Verfassungsmäßigkeit anhand der Grundrechte, vor allem der Menschenwürdenorm des Art. 1 GG und des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, an und es wird die Frage einer grundsätzlichen Neuordnung erörtert.
Das ZDF hat sich noch gestern an einer Zusammenfassung versucht:
Die fachliche Reputation von Frau Prof. Mack kann ich nicht beurteilen. Allerdings hatte sie sich schon vorher dezidiert als Sexkaufverbots-Befürworterin geoutet (2019):
Prof. Rommelfanger ist mir bisher als Verfassungsrechtler unbekannt gewesen. Das spricht nicht gerade dafür, dass er einer der führenden Koryphäen auf diesem Gebiet ist.
Natürlich habe ich das Ursprungswerk (noch) nicht gelesen, aber die Kommentierungen legen nahe, dass auch diese Autoren wieder einmal legalisierte Prostitution und Zwangsprostitution / Menschenhandel in einen Topf werfen; also die simple These: Wenn Menschenhandel unterbinden werden soll, muss ein Sexkaufverbot eingeführt werden.
Es bleibt abzuwarten, ob diese Studie einen Einfluss auf die laufende Evaluierung des Prostitutions- und des Prostitutionsschutzgesetzes hat und wieviel Aufwind die Befürworter des Nordischen Modells daraus bekommen.
Den beiden zitierten "Fachfrauen", der Frauenärztin Liane Bissinger und der Psychotherapeutin Michaela Huber, beide München, sei zugute gehalten, dass sie wirklich ganz überwiegend nur mit problematischen Prostituierten zu tun haben und den großen Anteil der selbständig arbeitenden Frauen noch nie zu Gesicht bekommen haben dürften.
Ich gehe nicht davon aus, dass es in naher Zukunft zu einem Verbot kommen dürfte. Die Gründe wurden hier schon zahlreich genannt. Allerdings glaube ich, dass wir irgendwann in den nächsten 30 Jahren damit konfrontiert werden und die Diskussion darüber stark aufflammen wird.
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Ein kluger Mann macht nicht alle Fehler selbst. Er gibt auch anderen eine Chance.
@Pausenclown: Deinen Gleichberechtigungsansatz verstehe ich nicht. Vielleicht hast Du als Callboy oder Gigolo am Markt keine Chance, aber theoretisch kannst Du doch genau so sexuelle Dienstleistungen anbieten. Dass es mehr weibliche als männliche Prostituierte gibt, ist doch keine Frage gleichen Rechts, sondern eher die anderer Nachfrage am Markt.
Na wenn du genau guckst worauf ich mich im Zitat unten beziehe ist es doch gar nicht so schwer zu verstehen, und dürfte auch klar sein das das Argument mit den
Zitat von chendrikala
...viele Damen...
gar nicht von mir kommt.
Ansonsten ist es für mich ein Luxusproblem, wenn der armen Großverdienerin SDL nur der Hartz IV-Satz zugestanden wird bei einer beruflichen umorientierung und ihr alle Mitleid zollen weil sie sich jetzt nicht täglich die Nägel pimpen kann, während nebenan der Handwerker seine Existenz verliert und sich dann anhören muss: selber schuld, während er mit demselben Geld die ganze Familie durchbringen muss!!! (überspitzt auf den Punkt gebracht)
Warum denn nicht? Die SDL, die einen Bürojob ablehnt, weil sie das Monatsgehalt als SDL auch cash Wochenende einstreichen kann, vergisst möglicherweise, dass sie einen anderen Job länger machen kann als den der SDL, dass sie in einem anderen Job Aufstiegschancen hat, dass sie mit einem normalen Job Rentenansprüche erwirbt oder gegen Krankheit und Berufsunfähigkeit abgesichert ist, etc.
Auf der männlichen Seite fällt mir als Parallele am ehesten ein Profisportler (ohne Millionenverdienste als Fußball- oder Tennisstar) ein, dessen erste Karriere auch in der Regel spätestens mit 35 oder 40 zu Ende ist. Den hat aber mit 25 auch keiner gegängelt, seinen Job an den Nagel zu hängen und stattdessen ins Büro zu gehen.
Grundsätzlich gut, wenn es andere berufliche Möglichkeiten gibt oder sie als Ausstiegsalternative eröffnet werden; nur bei Alternativen kann man sich tatsächlich bewusst für oder gegen etwas entscheiden. Aber es soll am Ende doch eine freie Entscheidung bleiben, ohne dass jemand die Aussteigerin oder die SDL, die in ihrem Job bleibt, kritisiert.
@Pausenclown: Deinen Gleichberechtigungsansatz verstehe ich nicht. Vielleicht hast Du als Callboy oder Gigolo am Markt keine Chance, aber theoretisch kannst Du doch genau so sexuelle Dienstleistungen anbieten. Dass es mehr weibliche als männliche Prostituierte gibt, ist doch keine Frage gleichen Rechts, sondern eher die anderer Nachfrage am Markt.
@gemmazimma: Mit den Hürden meinte ich die rechtlichen Hürden, in die Berufsfreiheit so einzugreifen, dass die Auswirkungen praktisch in die Nähe eines Berufsverbots kommen. Ein Prostitutionsverbot dürfte daran scheitern, und auch Freierbestrafung wird schnell verfassungsrechtlich bedenklich werden. Das, was Du schilderst, sind imho eher Zeichen dafür, dass im Pay6-Gewerbe nicht immer alles legal abläuft und dass das Gewerbe gesellschaftlich nach wie vor stigmatisiert ist; beides dürfte für mehr Anzeigen und damit auch für mehr behördliche Tätigkeit sorgen.
Genau, da sind wir beim Kern der Sache; nötig seien auch andere, berufliche Perspektiven. Die gibt es für viele Damen aber nicht, nicht mit der freien Zeiteinteilung, nicht mit den Verdienstmöglichkeiten.
In dem Argument ist der Wurm drin. Warum? Deswegen:
Für uns Kerle gibts das auch nicht auf dem Silbertablet serviert. Ausser wir wurden von den Eltern gepudert.
Soviel zum Thema Gleichberechtigung.
... Außerdem forderte Widmann-Mauz eine bessere Unterstützung für Aussteigerinnen. Viele seien schwer traumatisiert und benötigten zunächst gesundheitliche und psychologische Betreuung. Nötig seien auch andere berufliche Perspektiven....
Genau, da sind wir beim Kern der Sache; nötig seien auch andere, berufliche Perspektiven. Die gibt es für viele Damen aber nicht, nicht mit der freien Zeiteinteilung, nicht mit den Verdienstmöglichkeiten.
Ich denke, wir sind uns einig, dass wir nicht von Zangsprostitution, Menschenraub und Minderjährigen reden.
Welche berufliche Perspektive hat denn eine junge Rumänin oder Polin? Auf die Antwort bin ich aber gespannt. Ich wollte mal einer deutschen SDL, die ich sehr mochte und die das locker gepackt hätte, einen Bürojob vermitteln; sie hat mich ausgelacht und gesagt, dass was sie da in einem Monat verdient, macht sie am Wochenende. Das Geld hätte sofort und im Büro müsste sie zum Monatsende warten.. Never...
Auch wenn man den Beruf an sich nicht verbietet, sind die Hürden für eine Einengung der Berufsausübung immer noch hoch.
Im Gegenteil finde ich. Kann mir keine andere Branche vorstellen, bei der die Hürden für eine Einengung dermaßen niedrig sind. Neues Prost.schutzgesetz, Hurenpass, Schikanen bei der Verlängerung, eine schier endlose Kette. Ganz zu schweigen für Betreiber. Statt Betriebsprüfungen wie sonst überall üblich, veranstaltet man lieber medienwirksame Razzien und Hausdurchsuchungen, die meist nicht viel bringen außer (Weg)beförderungen der Initiatoren (siehe Artemis) Behörden dürfen auf keinen Fall zu viel erlauben. In den Untergrund ist unabhängig von Corona deshalb jetzt schon immer mehr gewandert, wo man sich mit verbotener Ausübung gut arrangiert hat und für die wäre das kein großer Unterschied.
Vielleicht bleibt ja von ihrem Vorstoß ein guter Kern übrig, nämlich mehr gegen Zwangs- und Armutsprostitution zu tun, Menschenhandel einzudämmen und Beratungsstellen gegen Drogenabhängigkeit, Traumata einzurichten und Ausstiegsmodelle zu fördern.
Das alles ist sogar immer wieder in Reportagen zu hören, bei denen ein Verbot nicht ganz so vehement gefordert wird und m.E. von ziemlicher Naivität geprägt. Ausstiegsmodelle würden wohl als Einstiegsmodelle in die Sozialsysteme sicher gerne angenommen und der Job unter dem Radar trotzdem weiter ausgeübt, also real kein großer Unterschied, außer dem Zusatzeinkommen.
Ausstiegsmodelle und Beratungsstellen sind auch Begriffe, für die sich SDL, falls sie die überhaupt jemals zu hören bekommen würden und in welcher Sprache auch immer, nicht die Bohne interessieren. Dass ein Ausstieg in jedem Fall eine erhebliche Einschränkung des gewohnten Lebensstandards bedeutet, ist ihnen klar und für die Zeit danach, die irgendwann bei jeder kommen wird, darüber brauchen sie keine Beratung. Von Interesse ist lediglich, wo am schnellsten am meisten Kohle zu verdienen ist. Dass in diesem Zusammenhang prekäre Verhältnisse natürlich nicht selten sind, steht außer Zweifel und auf einem anderen Blatt.
Die Armutsprostitution hat ein anderer Kollege mal treffend Wohlstandsprostitution genannt. Eine Friseuse würde auch unter ziemlicher Armut leiden, wenn sie nicht arbeiten könnte oder dürfte und eine Friseuse in RO/BG/HU leider noch viel mehr.
@ Goldbär
Auch von mir ein herzliches Dankeschön für die fundierte Stellungnahme.
Auf unserem gemeinsamen Spielfeld München gibt es genug prekäre Verhältnisse, in denen SDL (v.a. die aus Rumänien und Bulgarien) arbeiten müssen.
Wer Augen und Ohren aufmacht und nicht komplett schwanzgesteuert die Frauen als reine Fickmaschine behandelt, sondern Ihnen zuhört, kann da viel erfahren.
Auch wenn wir Männer das nicht immer toll finden:
Die im Grundgesetz verankerten Rechte auf Selbstbestimmung und freie Entfaltung der Persönlichkeit garantieren allen Frauen, unabhängig zu entscheiden, wann, wie oft und (im Bereich des Paysex) ggf auch gegen Bezahlung sie mit uns in die Kiste steigen oder nicht.
Nur so lässt sich das Thema Prostitutionsverbot m.E. lösen.
Welche Wählergruppen die Unionsfrauen (u. Lauterbach von der SPD) im Blick haben, um vier Wochen vor der Wahl mal wieder die Medien mit ihrem blödsinnigen Vorstoß anzuspitzen, erschließt sich mir nicht. So spießig und konservativ ist Deutschland doch eigentlich nicht (mehr).
@didih
Deinem Vergleich kann ich mich nicht anschließen.
Ich bin kein Gegner von Berufssoldat:innen, aber die Zeiten, wo aus Armutsgründen Leute zur Armee gingen oder sogar zwangsrekrutiert wurden, sind doch zumindest in der westlichen Welt vorbei.
Und das (im Gegensatz zur Prostitution) aus sozialen Gründen das Berufssoldatentum evtl verboten werden soll, steht ja auch nicht zur Debatte.
Ganz herzlichen Dank! Besser und ausgewogener kann man es nicht darstellen, zusammenfassen und bewerten.
Gilt im übrigen im wesentlichen auch für das älteste Gewerbe der Welt, nämlich das Söldnertum.
Desweiteren wollen wir nicht vergessen, daß der Staat und die Kommunen nicht unerhebliche Steuereinnahmen vielfältigster Art aus dem Rotlichtgewerbe bezieht.
Trotz aller Tendenzen bei einzelnen Repräsentanten oder Gruppierungen, die parteiübergreifend in der Politik tätig sind, kann ich nicht glauben, dass es zu einer Freierbestrafung kommt, vor allem weil die Mehrheit in der Politik nicht so naiv sein kann, ernsthaft zu glauben, Prostitution dadurch abschaffen zu können (ist über Jahrhunderte nicht gelungen). Konservative Grundhaltung hin oder her: Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass keiner die Prostitution zurück in die Illegalität drängen will; die Probleme, die irgendjemand meint so lösen zu können, würden damit größer, vor allem für die Mädels.
Darüber hinaus scheint mir das Projekt rechtlich schwierig, denn immerhin ist spätestens mit dem ProstSchG Prostituierte ein anerkannter Beruf im Sinne von Art. 12 GG geworden und genießt daher einen gewissen Grundrechtsschutz. Auch wenn man den Beruf an sich nicht verbietet, sind die Hürden für eine Einengung der Berufsausübung immer noch hoch.
Vielleicht bleibt ja von ihrem Vorstoß ein guter Kern übrig, nämlich mehr gegen Zwangs- und Armutsprostitution zu tun, Menschenhandel einzudämmen und Beratungsstellen gegen Drogenabhängigkeit, Traumata einzurichten und Ausstiegsmodelle zu fördern. Dass diese Missstände (auch) mit Prostitution verbunden sind, dürfte ja auch hier keiner ernsthaft in Zweifel ziehen; nur sollte man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, sondern für alle registrierten und selbstbestimmt in diesem Metier arbeitenden Frauen den Job legal offen lassen und sich stattdessen gezielt um die tatsächlich Leidtragenden kümmern.