Ich finde die hier -wie so häufig- verwendete Darstellungsweise problematisch.
Insbesondere geht es mir um Formulierungen wie:
- "Die neuen Virusvarianten aus Großbritannien, Südafrika und Brasilien versuchen schrittweise, dem menschlichen Immunsystem zu entkommen."
- "Das Virus beschreitet bestimmte Wege, um unseren Immunsystem zu entkommen."
- "Indem es immer mehr Mutationen ansammelt, lernt das Virus also, wie es das Immunsystem überwinden kann."
Wenn man das liest, könnte man fast von einer strategischen Planung und Lernfähigkeit seitens des Virus ausgehen. Nichts könnte weiter weg sein von der Realität:
So ein Virus ja noch nicht einmal einen Stoffwechsel, ein Nervensystem oder gar ein Gehirn. Irgendwelche Motivationen oder Gedankengänge des Virus spielen sich also allenfalls in der Fantasie des Betrachters ab.
Es ist einfach nur so, dass jede Reproduktion des Virus mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit durch Kopierfehler zu einer Mutation führt. Je mehr Reproduktionen durch entsprechende Infektionen entstehen, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit für das Entstehen von Mutationen.
Je mehr Mutationen, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass eine darunter ist, die sich erfolgreicher vermehren kann. Blöd nur, dass das für uns als Wirte die Gefahr erhöht. Noch blöder, falls die neue Variante sich nicht nur schneller verbreiten, sondern auch noch zu schwereren Verläufen führen kann. Eigentlich müsste das erfolgreichste Virus eine Variante sein, die sich schnell und wiederholt verbreiten kann ohne den Wirt zu töten. Ist aber die Verbreitungsgeschwindigkeit hoch genug, ist auch der Tod des Wirtes zweitrangig. Unser Pech...
Am Ende ist es die ganz klassische Kiste frei nach Darwin: Survival of the fittest. Es überlebt derjenige Organismus, der am erfolgreichsten seine Gene in seiner jeweiligen Umgebung weitergeben kann.
Anstatt also dem Virus irgendwelche Denk- oder Planungsvorgänge zu unterstellen, wäre mir eine realistischere Darstellung lieber. Möglicherweise bedienen sich die Fachleute auch nur dieser irreführenden Sprache, da sie den evolutionären Hintergrund schließlich kennen. Das schimmert an einigen Stellen des Interviews auch durch. Für die Öffentlichkeit ist das aber von Nachteil, da manches in der gewählten Darstellung einfach nicht stimmt. Das kann dazu führen, dass eigentlich wichtige und richtige Informationen später in Zweifel gezogen werden, da andere Teile des Textes problematisch sind.
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