Sicherheit und Freiheit, ein Widerspruch ?

[Epikureer69]

Die Ereignisse in Frankreich und der, dadurch bedingt, verhängte Ausnahmezustand in unserem Nachbarland, welcher, zum Teil auch Einschnitte in bürgerliche Grund - und Freiheitsrechte, mit sich bringt, hat mich im Zusammenhang mit der "Sicherheitsdebatte" hier, im Rahmen der Terror und Migrantensituation, doch etwas ins Grübeln gebracht.

Klar in Frankreich toleriert die Mehrheit der Bevölkerung, die mit dem Ausnahmezustand verbundenen Einschränkungen, vor allem auf Grund der Eindrücke der schrecklichen Terroranschläge, die das Land in der jüngsten Vergangenheit heimgesucht haben. Auch ist die derzeitige französische Regierung wohl unverdächtig diesen Ausnahmezustand für andere Zwecke, als die innere Sicherheit, zu instrumentalisieren.

In anderen Fällen, war aber das Thema "innere Sicherheit" oftmals ein Vorwand, um längst geplante totalitäre Strukturen "durchzudrücken". Aktuelles Beispiel: die Türkei, Erdogan und der "Putschversuch".

Es würde mich auch sehr wundern, wenn es bei der Fußball-WM 2018 in Russland, zu ähnlichen Hooligankrawallen kommen würde, wie kürzlich bei der EM 2016 in Frankreich. Denn auch in Russland wird das Thema "innere Sicherheit" groß geschrieben. Dennoch kann man ja über Putin's Demokratieverständnis geteilter Meinung sein.

Anhand dieser Beispiele drängt sich für mich die Frage auf: "Wieviel Sicherheit verträgt die Freiheit ? Oder: Wieviel Freiheitsrechte sind wir bereit für unsere Sicherheit aufzugeben ?"

Ich denke, das sollten wir hier auch einmal diskutieren.

[Gulman]

So leicht ist das nicht, stb99.

In einem Staat, in dem man viele Freiheiten hat, kann man sich mehr erlauben als beispielsweise in einem Polizeistaat. Wie soll man Verbrechen aufklären, ohne zu überwachen? Überwachung ist Ein schränkung von Freiheit. Durch das Verfolgen von Straftaten sollen andere potentielle Straftäter abgehalten werden. Das ergibt also Sicherheit.

Beispiel Einbruchsdelikte. Stünde an jeder Straßenecke rund um die Uhr ein "Schutzmann", gäbe es weniger nächtliche und vormittägliche Einbrüche. Vermutlich hätten wir aber nicht die "Freiheit", nachts mit dem Fahrrad ohne Licht heimzufahren. Auch dürften weniger Tüten bei einem lauschigen Spaziergang inhaliert werden. Jetzt ist beides ohnehin nicht erlaubt. Man fühlt sich aber allgemein durch diese Präsenz kontrolliert und wohl auch eingeschüchtert.

Grenzkontrollen - würde jedes(!) Auto komplett gefilzt werden, dass die deutsche Grenze überfahren will, hätten wir sicher weniger Drogen- und Waffen"importe", was mehr Sicherheit bedeutet. Ganz zu schweigen von den Personen, die Waffen/Drogen importieren wollen.
Dafür haben wir nicht mehr die Freiheit, mal eben schnell nach Italien zu düsen. Nein, wir müssen ja an der Grenze zu Österreich ein paar Stunden warten (vor allem bei der Rückfahrt in diesem Szenario). Grenzkontrollen geben mehr Sicherheit, schränken aber unsere Bewegungsfreiheit ein.

Wir leben diesbezüglich einen Kompromiss. Es war Konsens, dass wir in Deutschland keinen Polizeistaat haben wollen und sich jeder auch innerhalb Deutschlands frei bewegen kann, wir dafür als Bürger aber trotzdem beschützt werden, sicher sind (z. B. Polizei ist immer rufbar und halbwegs in der Nähe). Die Kehrseite: auch Verbrecher nutzen diese Freiheiten, insbesodere der geringen Präsenz der Ordnungskräfte. (Man kann es mit beliebig vielen Beispielen fortsetzen).

Organisationen wie die Mafia kann man vermutlich auch nur mit nicht unbedingt freiheitlichen Methoden komplet zerschlagen. Wir hätten dann weniger organisierte Kriminalität, würden aber auch Freiheiten einbüßen.

Ich sehe da einen deutlichen Zusammenhang. Ich will einen Staat mit vielen Freiheiten, muss dann aber die Kehrseite akzeptieren.

Letztes Beispiel:
Radargeräte alle 100 Meter auf allen Straßen oder Satelittenüberwachung per GPS (Geschwindigkeitsmessung rund um die Uhr), ergäbe mehr Sicherheit auf den Straßen, weniger Unfälle, weniger Verkehrstote. Aber der deutsche Autofahrer würde sich gegängelt fühlen. Es fehlt die Freiheit, auch mal eben aufs Gas drücken zu könnnen - trotz des lästigen 80er-Schilds, das man eben passiert hat. Es würde aber Leben retten. Der deutsche Michel wehrt sich aber. Radaraktionstage wie in Bayern üblich mag nicht jeder und der Rundfunk warnt.

Daher: so viel Freiheit wie möglich, ohne dabei die Sicherheit zu sehr zu vernachlässigen. Kompromiss eben...

[stb99]

Sicherheit und Freiheit sind kein Widerspruch.

Man vermischt hier gerne zwei Bedürfnisse, die auf komplett unterschiedlichen Ebenen ansetzen. Auch schließt Freiheit keine Sicherheit aus, sondern aus meiner Sicht ist Sicherheit erst ein Grundstein dafür, sich für Freiheit einzusetzen.

Sicherheit ist ein Bedürfnis, das kurz nach den absoluten Grundbedürfnissen wie beispielsweise Essen und Trinken kommt. Freiheit ist ein Bedürfnis, das aus dem Bereich der Selbstverwirklichung kommt, also sehr viel später und auch noch weit später als das Bedürfnis nach sozialen Kontakten.

Nun werden Bedürfnisse nicht grundsätzlich in dieser Reihenfolge befriedigt und ein Mensch kann sich um Anerkennung oder auch Freiheit bemühen, selbst wenn er hungert. Aber tendenziell führen Defizite bei niedrigeren Bedürfnissen dazu, dass man die Erfüllung der höheren Bedürfnisse vernachlässigt. Wer die ganze Zeit hungert, vernachlässigt auch die eigene Sicherheit, um diesen Hunger zu stillen. Wer sich unsicher fühlt, wird sich er um die Sicherheit kümmern, bevor er andere Dinge in Angriff nimmt.

Ohne Sicherheit wird es also dauerhaft keine Freiheit geben. Denn bei einem Defizit hier, wird man sich bevorzugt um die Sicherheit kümmern.

Die andere Frage ist, wie man Sicherheit und Freiheit erreicht. Die gesamte Gesellschaft basiert auf einer gewissen freiwilligen und und unfreiwilligen Selbstbeschränkung, die gewissermassen einen Konsenz darstellt. Dazu gehört aber auch, dass nicht nur die Mehrheit, sondern fast alle diesen Konsenz akzeptieren.

Die maximale Freiheit für alle entsteht, indem man die persönliche Freiheit eines jedes Einzelnen beschränkt. Das ist das Verständnis in Europa. In USA weicht das schon stark ab, und asiatische Kulturen haben eine andere Sichtweise bzw. messen dem Wert "Freiheit" überhaupt einen ganz anderen Stellenwert bei. Keine Ahnung, was man im Orient unter Freiheit versteht. Da scheint es mir das Konzept nicht zu geben, da richtet man sich offenbar an dem aus, was einem der Koran vorgibt.

Zur Gewährleistung der Sicherheit gehört hierzulande, dass man der Gesellschaft, dem Staat, das Gewaltmonopol lässt und selbst auf das Tragen und die Anwendung von Waffen verzichtet. Dazu gehört Vertrauen, dass der Staat diese Aufgabe auch entsprechend wahrnimmt. Anderswo sieht man das genau andersrum. Da sieht man Sicherheit gewährleistet, wenn man sich bis an die Zähne bewaffnen kann.

Wie gesagt, das alles kann nur funktionieren, solange diese Konventionen von allen bis auf einzelne wenige akzeptiert werden. Sobald das nicht mehr gegeben ist, wird man wohl oder übel handeln müssen.

[Epikureer69]

@Aligator

Zitat: "Du bist für Worte, ich bin für Taten."

Manchmal schadet aber, in beiden Fällen, ein bißchen Nachdenken nicht. Deshalb eigentlich dieser Thread.

Schönes WE noch.

[Aligator]

@"Ideologiestreit"

Um es kurz zu machen:
Du bist für Worte, ich bin für Taten

[Epikureer69]

@Aligator

ich denke ich habe einigermaßen verstanden, was Du mit Deinem Beitrag sagen wolltest (ist mit Verlaub gesagt bei Dir auch nie besonders schwer, weil eins muss man Dir lassen: direkt und ehrlich bist Du schon).

Was ich jedoch weniger verstanden habe, ist der Zusammenhang Deiner Aussage, mit der Fragestellung der Threaderöffnung.

Vielleicht kannst Du mir da helfen.........

Oder hast Du einfach nur "Threadersteller Epikureer69" gelesen und dann einen für Dich üblichen, dafür geeigneten "Standardtext" erstellt, so rein sicherheitshalber, dass nix' anbrennt im Ideologiestreit ?

[Aligator]

...auf Grund der Eindrücke der schrecklichen Terroranschläge, die das Land in der jüngsten Vergangenheit heimgesucht haben...

So so, die schrecklichen Terroranschläge haben Frankreich also heimgesucht...

Soll man sich das etwa so vorstellen? Ganz urplötzlich kommt da ein böser Terroranschlag wie aus dem Nichts um die Ecke geschossen und terroranschlagt dann vor sich hin?

Tja, die doofen gemeinen Terroranschläge sind aber auch echt blöd und machen alles kaputt.
Vielleicht sollte man einfach nur mehr mit ihnen reden.
Mehr Verständnis für sie zeigen als immer nur über sie zu schimpfen.
Ja, das hilft bestimmt! So wird das schon klappen, wir schaffen das!