Männer in den westlichen Industrienationen produzieren laut einer neuen Studie heute um fast 60 Prozent weniger Spermien als noch vor 40 Jahren. Direkte Rückschlüsse auf die Fruchtbarkeit erlaubt das zwar nicht, Experten schlagen dennoch Alarm.
Geringe Mengen an Spermien hängen nämlich nicht nur mit der Reproduktion, sondern auch mit einer Reihe von Krankheiten zusammen. „Unsere Studie ist ein dringender Weckruf für Forscher und Gesundheitsbehörden auf der ganzen Welt“, sagt deshalb der Studienleiter Hagai Levine von der Hebrew University in Jerusalem.
Da nicht-westliche Männer von dem Phänomen kaum betroffen sind, gelten Umweltgifte sowie Lebensstilfaktoren wie Ernährung und Bewegung als wahrscheinlichste Ursachen für die schrumpfende Spermienzahl...
Das Ergebnis: Die Spermienanzahl pro Milliliter Sperma von Männern aus Nordamerika, Europa, Australien und Neuseeland ist zwischen 1973 und 2011 um 52,4 Prozent gesunken. Bei der Gesamtzahl der Spermien pro Samenerguss beträgt der Rückgang sogar 59,3 Prozent...
Ursachenmix: Von Pestiziden bis Rauchen
Nicht untersucht haben die Forscher in der aktuellen Studie Beweglichkeit und Form der Spermien – beides Eigenschaften, die ebenfalls maßgeblich sind für die Zeugungsfähigkeit. Wie Levine und Kollegen schreiben, gibt es dafür in dem langen Untersuchungszeitraum zu wenig vergleichbare Daten.
Ebenfalls nicht erforscht haben sie die Ursachen für die schrumpfenden Spermienzahlen. Da sie aber nur in den westlichen Ländern vorkommen, „weist das deutlich darauf hin, dass chemische Substanzen im Warenverkehr eine kausale Rolle spielen“, wie es Shanna Swan ausdrückt.
Frühere Studien haben etwa gezeigt, dass Pestizide in der Landwirtschaft oder hormonell wirkende Zusätze in Kunststoffen mit der Produktion von Spermien zusammenhängen. Gleiches gilt für Lebensstilelemente wie Stress, Übergewicht und Rauchen.
Indikator für Männergesundheit
Wie die Forscher betonen, sagen Quantität und Qualität von Spermien nicht nur etwas über die Fruchtbarkeit von Männern aus, sondern auch über ihren allgemeinen Gesundheitszustand.
Bedenklich findet etwa der Biomediziner Artur Mayerhofer von der Uni München den Trend, der mit der schrumpfenden Zahl an Spermien einhergeht: eine Zunahme von Hodentumoren, Kryptorchismus („Bauchhoden“) und anderen Problemen sowie einen Zusammenhang mit einem allgemeinen Krankheits- und Sterblichkeitsrisiko...