Werfen wir doch gleich mal einen Blick von oben nach ganz unten. Es geht um die Pornoszene. In der FAZ habe ich am Dienstag (07.07.2009) eine Rezension zu Jens Hoffmanns Dokumentarfilm "9 to 5 - Days in Porn" gelesen. Ich muss die Rezension nicht im Einzelnen wiedergeben - und über den Film selbst, der jetzt in die Kinos kommt, findet man mittlerweile im Internet genügend Infos.
Mir geht es nur um einen einzigen Punkt, der mich immer wieder aufregt, wenn es um das Thema Porno geht. Ich zitiere einen Passus aus der FAZ-Rezension:
(Hoffmann) porträtiert ein Filmgenre, das vom totalen Sehen und Zeigen lebt, und verschiebt dafür den Blickwinkel: Wirkliche Penetration ist hier nicht zu sehen - nur ihre Effekte, aber die abgekämpften Gesichter der Frauen mit ihrem derangierten Make-up und die rotgesichtig aus dem Set stolpernden Männer lassen das Ganze oft genug wie einen erniedrigenden und zugleich albernen Extremsport aussehen."
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Ich finde diese Stelle sehr bezeichnend dafür, wie hierzulande die öffentliche Kritik mit dem Genre Porno umgeht. Hier wird mit erhobenem Zeigerfinger auf "derangiertes Make-up" und vom Vögeln "rotgesichtig stolpernde" Männer gezeigt - das wird uns als "entlarvende" Wahrheit über das Genre Porno insgesamt verkauft.
Keine Rede davon, dass Porno sehr ästhetisch sein kann. Man kann Frauen und Männer und Sex zwischen Frauen und Männern (hetero/bi/homo) pornographisch sehr erotisch inszenieren - so sehr, dass es eine wahre Lust ist, entsprechende Produktionen anzuschauen. Dabei ist der (filmische usw.) Produktionsprozess für die Beurteilung des Resultats absolut unerheblich!!! Es gibt grandiose Pornoszenen - und zugegeben sehr viele wirklich belanglose. Aber beurteilt muss das
Resultat, also die Szene selbst werden, nicht der
Produktionsprozess.
Dass hinterher das Makeup derangiert ist, dürfte nicht nur für Pornoproduktionen typisch sein. Aber kein Kritiker würde im Ernst beispielsweise einem Francis Ford Coppola vorwerfen, dass seine Schauspieler "rotgesichtig" aus dem "apokalyptischen" Set humpeln. Oder will man im Ernst glauben, dass man einen Kriegsfilm wie "Apocalypse now" drehen kann, ohne dass man auf dem Set schmutzig wird? Nein - da ist das nicht der Erwähnung wert. Da geht es nur darum, die Ästhetik oder je nachdem auch die Anti-Ästethik des Kriegs mit cineastischen Mitteln darzustellen!
Nur beim Porno entdeckt die Moral immer nur das Miese. Die Rede vom "totalen Sehen und Zeigen" trifft also gerade auch auf die Kritik zu: Der totale Kritiker entdeckt hinterm Glamour das aus dem Set schleichende Wrack! Der totale Kritiker sieht nicht das Produkt, sondern stößt sich am Drumherum!
Calisto
Nachtrag. Paris sah hinterher auch anders aus als vorher. Und als sie während ihrer Show einmal unvermittelt fragte: Meinst Du nicht auch, dass ich das Zeug dazu hätte, in einem Porno mitzumachen? War meine spontane Antwort: Du bist mittendrin!