Unliebsame Überraschung für einen Tiroler Rotlicht-Unternehmer: Steuerfahnder und Finanzpolizisten statteten vier Bordellen einen nächtlichen Besuch ab. Verdacht der Steuerhinterziehung.
VON THOMAS HÖRMANN
Innsbruck – Die Operation war offenbar minutiös geplant. Nahezu zeitgleich begehrten rund 60 Steuerfahnder, Finanz- und Kriminalpolizisten bei vier Bordellen in Innsbruck (zwei Betriebe), Hallein und Wien vor einer Woche Einlass. Der Grund: eine angebliche Abgabenhinterziehung in Millionenhöhe – die Staatsanwaltschaft hat die Hausdurchsuchungen angeordnet. „Es gibt ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung“, bestätigt Staatsanwalt Thomas Willam.
„Die Beamten kamen gegen 3.20 Uhr. Es war nur noch ein Gast da, der sehr höflich behandelt wurde und zehn Minuten Zeit erhielt, um das Haus zu verlassen“, schildert der Betreiber der vier Etablissements die Razzia.
Der ungebetene Besuch der Steuerfahnder ist offenbar einer ehemaligen Mitarbeiterin des Rotlicht-Unternehmers zu verdanken. Die Frau war jahrelang Geschäftsführerin beim Bordell-Chef, bis sie während eines Krankenstandes gekündigt wurde.
Der folgende Streit um angeblich ausständige Zahlungen wurde dann sogar ein Fall fürs Innsbrucker Landesgericht – die TT berichtete. Als die Ex-Mitarbeiterin ihr Urlaubsgeld einforderte, soll der Bordell-Chef gedroht haben, den Vater der Frau über ihren bisherigen Job zu informieren. Eine Drohung, die die gekündigte Angestellte schon allein wegen ihrer Herkunft ernst nahm – ihre Familie stammt aus der Türkei. Entsprechend heftig fiel die Reaktion der früheren Geschäftsführerin aus – sie schaltete nicht nur die Arbeiterkammer ein, sondern leitete auch brisante Geschäftsunterlagen an das Finanzamt und die Polizei weiter.
Unterlagen, die angeblich vorwiegend aus Excel-Tabellen bestanden, mit dem Handy abfotografiert vom Bildschirm des Betriebscomputers. In den Tabellen war offenbar die Kundenfrequenz genau aufgelistet. Und diese Frequenz dürfte sich deutlich von jener unterscheiden, die der Bordell-Betreiber alljährlich dem Finanzamt gemeldet hatte. Die Differenz soll im siebenstelligen Euro-Bereich liegen.
Zahlen, die der beschuldigte Unternehmer als „fadenscheinig“ bezeichnet, „die Anschuldigungen entsprechen in keinster Weise den Tatsachen“.
Wie dem auch sei – mit der Anzeige wegen Steuerhinterziehung ließ es die ehemalige Geschäftsführerin nicht bewenden. Sie wollte auch „das dumme Gesicht“ ihres ehemaligen Arbeitgebers sehen, wenn er „erfährt, dass die Geschäftsunterlagen an die Kripo und die Finanz übergeben wurden“, begründete die Frau am Landesgericht, warum sie sich mit ihrem Ex-Chef in einem Kaffeehaus getroffen habe.
Ein stadtbekannter Türsteher im muskelbepackten 1,90-Meter-Format begleitete die Dame, der Ex-Chef kam ebenfalls in stattlicher Herrenbegleitung. Und fühlte sich erpresst – entsprechende Anzeigen gegen die Ex-Angestellte und ihren Bodyguard waren die Folgen.
Die frühere Geschäftsführerin und ihr weitschichtig verwandter Schutzpatron „sagten, sie hätten Angebote von der Polizei und der Finanz. Was mir denn eine Nichtaussage nun wert sei. Dazu drohte der Türsteher bei seinem Sohn, dass ich nun bluten werde. Wie soll ich das verstehen, Frau Rat?“, schilderte das angebliche Erpressungsopfer Ende September im Gerichtssaal.
Die Richterin sprach die beiden Angeklagten dennoch vom Erpressungsvorwurf frei. Vor allem auch deshalb, weil die frühere Mitarbeiterin ihre Unterlagen nachweislich schon vor dem Treffen im Kaffeehaus den Behörden übergeben hatte. „Wer zeigt denn an und erpresst zugleich?“, zeigte der Verteidiger den offenkundigen Widerspruch in der Erpressungsgeschichte auf. Übrigens: Das zunächst strittige Urlaubsgeld soll mittlerweile auf dem Konto der Frau eingelangt sein.