Zitat von Danja
Desweiteren sollte man nicht vergessen das die wenigsten von einem Einsatz zurückkehren und in Rambomanier nur auf den nächsten Kill warten, sondern schwere psychische Traumata mitbringen die nur unzureichend therapiert werden, wenn überhaupt.
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Das mag für die dt. Öffentlichkeitsmaschinerie was neues sein, für mich nicht. Mein Opa war auch ein schwer traumatisierter. Das merkte man normalerweise nicht, er ist auch nie explodiert oder plötzlich aus der Haut gefahren. Er hat auch nie über den Krieg geredet. Tabu. Wir wissen, daß er erst in Frankreich und dann im Osten war, und daß viele Bunker und Befestigungsanlagen ihre Form Schalungen verdanken, die er mitgezimmert hat. Stalingrad hat er kurz vorm Kessel mit einer Verletzung durch einen Querschläger im Gesicht verlassen.
Aber es gab Geräusche, da war er dann flink in Deckung - auch wenige Jahre vor seinem Tod noch.
Es gab zwei Lieder-
Lilli Marleen und ein bestimmter Marsch, da hechtete dann alles zum Radio, weil das einen Weinanfall, tagelanges Brüten und Bluthochdruck auslöste. Kein Mensch weiß warum.
Vor Tschernobyl bin ich oft mit ihm oft zum Pilzesuchen mitgegangen, wir sind dann über Gräben gesprungen, haben Steine geschleudert, haben anschließend "so" gemacht (zwei Arme stoßen rechts nach vorne), oder "so" rechter Arm zieht im Winkel von 30′ gegen den Horizont von aussen nach innen).
Als wir dann später in der 9. Klasse bei einem engagierten Geschichtslehrer Fronttagebücher aus Verdun gelesen haben, ist mir aufgegangen, daß mein Opa und ich damals in Schützengräben gesprungen sind, Handgranaten in den nächsten Graben geworfen haben, und dann den nächsten Graben gestürmt haben - entweder mit dem Bajonett oder mit dem Klappspaten.
Da konnte ich leider schon nicht mehr mit ihm darüber reden.
Das war also die Version mit Menschen, die in normalen bürgerlichen Wertegefüge aufgewachsen sind und trotzdem an dem Erlittenen lange Zeit zu knabbern haben.
Jetzt stell Dir das noch mal vor, wenn in anderen Ländern die gerade mit Mühe und Not durch die Kadettenschule(=US-Schule für gewalttätige und schwer erziehbare Jungs) gekommenen Angehörigen der weißen Unterschicht mit 'ner XBox samt Egoshooter und einer "Karriere" in die US-Army geködert werden und nach einer Schnellkonditionierung im Alter von 18 Jahren und mit einem Wortschatz von 200 - 400 Wörtern in der eigenen Muttersprache sich in der arabischen Welt wiederfinden. Der meint doch auf dem Mars ausgesetzt worden zu sein, so wie die Kollegas vorher in Vietnam oder noch früher in Korea. Die fiktive Geschichte von Jack Rambo wird sich noch öfters wiederholen, weil die kleinen Rädchen im System viel zu früh eingesetzt werden, damit sie ja nie eine Chance haben, sich einen eignen Überblick über die Welt zu verschaffen.
@Blinky
Solche Aussagen sind einfach nur zynisch und zeugen davon das du nicht wirklich Ahnung hast, aber auf den "Soldaten sind Mörder" Zug aufspringst.
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Die Aussage ist erst mal realistisch. Ich falle nicht auf den Neusprech unserer "Elite" herein.
Du magst sie als zynisch empfinden, weil sie Deinen Schatz betrifft. Wahrscheinlich kennst Du auch viele seiner Freunde und Kollegen, und die sind auch meistens ganz patente Kerle, auch wenn sie sich bei gewissen Themen offenbar ein Denkverbot auferlegen oder unter kognitiver Dissonanz leiden. Auch haben viele von denen ein Umfeld, welches zum großen Teil aus anderen Mitgliedern der Streitkräfte besteht. Kein Wunder, man wird ja öfters versetzt, und am leichtesten findet man unter seines gleichen Kontakt, Anschluss, Verständnis. Ich meinte übrigens dieses Umfeld, als ich meinte, daß der ICE-Springer vor seinem das Gesicht verloren hätte.
Kleiner Ausflug in die Wildnis:
Zwei Primaten begegnen sich, fletschen sich gegenseitig ihre Zähne. Jeder sieht, daß des anderen Hauer vollzählig sind, beide sehen, daß die Rückenfärbung fast gleich ist. Da genügend Zeug zum Fressen herumkreucht und keine Weibchen mit Hitzewallungen für Stress sorgen, geht jeder seiner Wege.
Kleiner Ausflug in die Zivilisation:
Zwei Menschen begegnen sich, fletschen sich gegenseitig ihre Zähne. Ups, das heisst ja jetzt Lächeln...
Ja, Lächeln entstand aus dem Vergleich der Stärke. Auch beim Händeschütteln versichern sich zwei Menschen, daß sie (zumindest in der Hand
) *keine* Waffe tragen. Der Druck beim Händedruck ist nichts weiter als ein weiterer Kräftevergleich.
Die meisten Begrüßungsrituale lassen sich auf diese Funktion zurückführen. Es spart Zeit und Energie beim Auskämpfen der Hierarchie.
Der homo sapiens sapiens, seit er von den Savannenbäumen heruntergekraxelt ist, hat nämlich primär immer eines: ANGST.
Kronen, Throne, ja auch der bürgerliche Zylinder des Gründerzeitfabrikanten machen einen größer als man ist => die andern, die das nicht haben, kuschen. Weil sie ANGST vor den größeren haben.
Verbeugung, "das Haupt neigen", Hofknick, etc: man erkennt den Status des anderen an, "man macht sich kleiner", der andere braucht keine ANGST vor einem Angriff haben.
Das steckt so tief in uns drin, dass wir es nur selten reflektieren.
Wie im kleinen, so im großen: Das Land, welches die größte, hochgerüstetste, spezialisierteste Armee mit den gar schröcklichsten Waffen und perfidesten Strategen hat, ist den anderen Ländern überlegen. Willkommen beim Rüstungskreislauf.
Und so wie oben in der Wildnis ein Pavian, der beim anderen ein schadhaftes Gebiss ohne Hauer gesehen hätte, dem das Essen, das Weibchen oder gleich beides weggenommen hätte, fangen Gruppen an, andere Gruppen ähnlicher Größe zu überfallen, wenn diese nicht gleich bedrohlich sind. Sandkasten gegen Sandkasten, Rockerclub gg Rockerclub, Kinderbande gegen Kinderbande, Zocker-Clan gegen Zocker-Clan, Spekulanten gegen Firmen, Kaffeefahrtenmanager gegen Rentnerhorden, usw, usw. - überall die gleichen Regeln: zeige Schwäche, und du wirst zerlegt.
Jede Armee trachtet also nach kräftigen oder vielen Verbündeten und größtmögliche eigener Bedrohlichkeit im Rahmen der eigenen Mittel.
(Auch der ganze irrsinnige Atomrüstungswettlauf mit
wir können Euch aber Xmal mehr in die Luft sprengen als ihr uns! und die in Ost und West installierten automatisierten Mechanismen für die Antwort auf den Erstschlag existierten nur aus diesem Zweck - die anderen sollten so viel ANGST haben, dass sie es gar nicht erst versuchen.)
Damit das funktionert, lernen Soldaten primär Töten und Zerstören - denn der Gegner soll ANGST haben.
(Die Jungs die Brunnen, Brücken und Straßen bauen und für Wasser und Strom sorgen, heissen übrigens
THW. Aber vor denen hat man keine Angst, für die hat man Respekt.)
Soldaten verrichten ihr Werk auch für Geld, dies Geld nennt man Sold und das Wort
Soldat fängt damit an.
Soldaten bekommen eine eigene Weltanschauung spendiert, in der ihre Handlungen vollständig legitim sind - sonst könnte ja jemand Beiß- oder Schießhemmungen haben und das geht nicht, sonst haben die Gegner keine ANGST.
Frage mal Deinen Schatz, was er in Fach Politische Bildung so alles getrichtert bekam. Das ist die
weiche Variante einer Weltanschauung für die Armee eines Landes, welches 2 WKs vom Zaum gebrochen und verloren hat. Du kannst Dir sicher sein, daß es in jeder anderen Armee weltanschaulich wesentlich schlimmer/schwärzerweisser zugeht.
Der ganze Schmarrn mit "intelligenten Bomben", die mit "chirurgischer Präzision" zuschlagen, und die ganze Zensur der Frontberichterstattung (wo alles gefiltert wird, was in die Hose ging, weil - ich gebe Dir Recht - auch Soldaten nur fehlerbehaftetet Menschen sind - all das ist dafür da, dass der Gegner die ANGST behält und die Soldaten das Vertrauen in die eigene Stärke. Dafür ist jedes Mittel recht. Im WK-I waren es schließlich Automatikwaffen, Giftgas und die aufkeimende Luftwaffe, im WK-II Sturzkampfbomber, V1, V2 -U-Boote, Flugzeugträger im Pazifik und schließlich die Atombombe.
Auch mit B-Waffen wurde experimentiert - die Nazis sollten ANGST haben. Das zynischste auf beiden Seiten war wohl, daß beiderseits der Fronten die Kanonen von Geistlichen geweiht wurden, damit die andere Seite schlechtere Karten und mehr ANGST hat...
Soldaten geben die Entscheidung, ob jemand "gut" (=>nicht bekämpfen) oder "böse" (=>bekämpfen) ist, in der Hierarchie nach oben ab. Das ist der "Blitzableiter", damit kann man auch Schuld delegieren - und ohne Schaden für das eigenen Seelenheil ANGST und SCHRECKEN verbreiten.
Das Schlimmste, was einer Armee passieren könnte, wären Soldaten mit Gewissen, die vor dem Schießen oder Knöpfchen tatsächlich nachdenken und nicht einfach abknallen. Die wären verwundbar, und vor so etwas hat niemand ANGST.
Macht es ein solcher bezahlter Kämpfer/Zerstörer ausschließlich für Geld, fehlt ihm also das künstlich aufgepfropfte "Wertesystem" innerhalb dessen die aggressiven Handlungen legitim sind, heisst er "Söldner" - die werden uns von den Medien aber regelmäßig als ach so böse Kriegsverbrecher unter die Nase gerieben.
Im Endeffekt macht also den Unterschied zwischen Soldat und Söldner aus, von welcher Instanz er sich bezahlen lässt.
Wenn Dein Schatz das nicht zugeben will, verständlich: das schützt sein Selbstverständnis.
Wenn Du es nicht zugeben willst, verständlich: das schützt dein Selbstverständnis als Partnerin eines Soldaten.
Trotzdem: Hier wird mit zweierlei Maß gemessen.
Ich habe sowohl in der Verwandtschaft als auch im aus dem Gymnasium stammenden Freundeskreis Personen, die
a) sich für ein Dutzend Jahre verpflichtet haben, den Wehrdienst auch noch angerechnet bekamen, und beim Bund studiert haben. Und:
b) mich dafür verspottet haben, daß ich lieber ein Vierteljahr länger Betten schiebe und alte Menschen pflege, und mir hinterher die Kohle fürs Studium nebenher verdiene, während die anderen am WE ihre Freundinnen auf ihren neuen Motorrädern durch die Gegend kutschierten.
Das war nicht leicht und man wird dafür auch noch verspottet, daß man nicht "schlau" ist und sich im Studium ein Gehalt vom Bund abholt.
Auf die Aussage meinerseits, daß man damit Menschen helfe, während sie nur effiziente Destruktion und Töten als Gegenleistung für materielles versorgt-sein (=also eigentlich aus niederen Beweggründen) trainierten, kam als Antwort desöfteren: "bei den Alten ist's doch eh schon Wurst!"
Ist das weniger zynisch?
Soldaten sind Menschen wie du und ich die im Einsatzfall mit Extremsituationen leben müssen die sich andere Menschen nicht in ihren Träumen vorstellen können.
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Das trifft auf meinen Opa zu, der hatte gerade seinen Gesellenprüfung hinter sich und wollte auf die Walz, als ihn der GröFaZ zur Wehrmacht rief. Freiwillig war es bei ihm sicher nicht.
Jeder "Z-ler" wusste aber vorher, was er da unterschreibt. Aber so eine Stelle beim Staat ist halt sicher, da kann man Bedenken schon mal vom Tisch wischen. (*das* war jetzt zynisch - ich merks noch
)
Aus dieser weitestgehend geschlossenen Gesellschaft/verschworenen Gemeinschaft, in der die meisten Soldaten zu leben scheinen, scheint auch schwer wieder rauszukommen - von meinen Freunden und Verwandten hat es genau einer geschafft, nach den 12 Jahren *nicht* zu verlängern. Nein, ich werde das jetzt nicht als Parallelgesellschaft bezeichnen, man kann sich mit diesen ja noch auf
Einheimisch unterhalten - auch wenn die ihren eigenen Truppensprech haben - "rumrödeln" etc. Bin gespannt, wo sich das hinentwickelt, wenn die Wehrpflichtabschaffung ein Jahrzehnt zurückliegt.
Mein Mann ist selbst 12 Jahre Soldat, ebenfalls Hauptfeldwebel und hat sowohl Afghanistan als auch den Kosovo erlebt. Macht ihn das jetzt auch automatisch zu einem von dir beschriebenen Ehrenmördern und muss ich mich jetzt auch fürchten? Pauschalisierung leicht gemacht?
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...und Du warst ja auch mal im Business, dann ist das ja bei Euch genau die gleiche Konstellation!? Bist Du deshalb so getroffen?
Die Antwort Teil I.: ich weiß es nicht! Sitzt er im Nachschubbüro oder im Graben an der Front? Hat er sich mal angegriffen oder lebensbedroht gefühlt? Hat er ein paar "Freunde" oder "Feinde" in der Spalte
Verluste eingetragen? Besteht sein soziales Umfeld nur aus Bundeswehr, sprich könnte er mit einem Schlag (z.B. wenn Deine Ex-Profession aufkommt) das gesamte soziale Umfeld verlieren? Weiß er von Deiner Ex-Profession?
(Ich will die Fragen nicht beantwortet haben, geht mich nix an - stell sie Dir bitte selber.)
Ich habe die Z-ler in meinem Umfeld so erlebt:
* Die meisten gingen aus materiellen Beweggründen/versorgt sein/Ausbildung zum Bund - vollständig durchdacht hat das m.E. keiner, war ja auch fürchterlich bequem - Auslandeinsätze gabs nicht, und die Rote Armee und NVA konnte man im Armeeshop kaufen.
* Bis auf den einen wurden die vollständig assimiliert - sie haben ein Umfeld (und Ehefrauen) vollständig aus dem Bundeswehr- oder NATO-Umfeld. Kontakt zu Menschen von früher fast null, Taufe oder Einschulung der Kinder, oder Beerdigung, oder das ABI-Treffen.
* die meisten waren kurz nach dem Offizierrang verheiratet, alle ziemlich früh (verglichen mit dem Zivilleben. Auch die Kinder kamen ziemlich früh.)
* mir kommt diese Gemeinschaft einfach und geordnet, mit festen, hierarchischen Regeln vor (ich sag langweilig und muffig, mit manchmal ziemlich überkommenen Ansichten, aber das kann auch an mir liegen).
=> Würde es Dich wirklich wundern, daß ein beruflich zum Töten und Zerstören konditionierter Mensch nach einer andauernden Streßsituation austickt, wenn er in seinem engsten Umfeld etwas entdeckt, was seine gesamte Welt, in der er sich bewegt, zum Einsturz bringt?
Die Antwort Teil II: Ich mochte meinen Opa trotzdem, und ich denke auch jetzt nicht schlecht von ihm. Wer weiss, wie ich in seiner Situation gehandelt hätte... - auch wieder unbequem, darüber nachzudenken, aber so bin ich halt - und diese Frage betrifft nur mich, und die wahrscheinlichste Antwort will mir nicht so recht gefallen.