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Alt  13.12.2017, 10:14   # 3714
Epikureer69
Hedonist
 
Mitglied seit 15.04.2014

Beiträge: 2.332


Epikureer69 ist offline
Ich finde

bei dem Thema "Armut in Deutschland" haben Alle die sich in den letzten Beiträgen zu Wort gemeldet haben schon viel Richtiges geschrieben, aber ich denke die "Armutsproblematik" in Deutschland hat vielschichtigere Gründe als "Hartz IV" und "Pfandflaschensammeln".

Deutschland verfügt, allen Unkenrufen zum Trotz, nach wie vor über ein Grundsicherungssystem (besseres Wort als "Hartz IV meine ich) auf hohem Niveau, was sich ja letztlich auch in den diesbezüglichen Zuwanderungswellen aus ärmeren EU-Staaten (Bulgarien, Rumänien) wiederspiegelt.

Für viele in Armut lebende Grundsicherungbeziehende liegt das Problem wohl eher in der bürokratischen Komplexizität unseres Grundsicherungssystems. In anderen vergleichbaren Ländern (Niederlande, einige skandinavische Länder) liegt der Grundsicherungssatz scheinbar höher, weil sich da der Leistungsberechtigte einen vierstelligen Eurobetrag jeden Monat auf einen Schlag abholen kann. Dafür gibt es in diesen Ländern dann aber keinerlei Zuschüsse mehr, keine Übernahme der Miete, keine automatische Krankenversicherung usw.

Schöpft ein Leistungsberechtigter in Deutschland wirklich alle legalen Möglichkeiten aus, dann liegt er sogar deutlich über dem niederländischen oder skandinavischen Level. Nur tun das leider viele nicht, manche aus Bequemlichkeit, manche weil sie an einer psychischen Erkrankung leiden, die ihnen rationales vorausschauendes Handeln unmöglich macht. Die eigentliche Leistungsberechtigung ist also in vielen Fällen höher als der tatsächliche Bezug.

Viele sind auch so einfach gestrickt, dass sie ihre Grundsicherungsbezüge nur daran beurteilen, was sie an Geld zum Ausgeben auf die "Kralle" kriegen und übersehen großzügig, dass ihnen Miete und Nebenkosten sowie Krankenversicherung vom Staat gezahlt werden.

Ein zusätzliches Problem ist natürlich auch der, in den letzten 50 - 60 Wohlstandsjahren, erheblich gewachsene Anspruch des Durchschnittsbürgers an den "Lebensstandard", an dem sich natürlich auch der Grundsicherungsempfänger orientiert. Deshalb bezeichnen sich heute Leute als "arm", die das bei gleichem (kaufkraftbereinigtem) Verfügungseinkommen, in den 70iger Jahren niemals getan hätten, weil da die Zeiten wirklicher "Armut" in der direkten Nachkriegszeit, noch präsenter im Gedächtnis waren.

Das größte Manko im deutschen Grundsicherungssystem dürfte also sein, dass Leistungsberechtigte oft nicht vollumfänglich auf das gesamte Leistungsspektrum des Hilfesystems zugreifen können oder wollen.

Da sind leider diejenigen, die die "soziale Hängematte" vorsätzlich mißbrauchen, wesentlich gewiefter, was einen weiteren systemimmantenten Mangel darstellt.
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"Sex, Fußball und Saufen", wobei im höheren Lebensalter die "Kardinaltugenden" zwei und drei, im Leben eines Mannes immer mehr an Bedeutung gewinnen.

"Man sieht den Splitter im Auge des Anderen, aber nicht den Balken im Eigenen."

Dieses Zitat widme ich meinen besonderen "virtuellen Freunden" hier.
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