Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt  22.07.2017, 13:46   # 9729
Yannik
Rastafari
 
Benutzerbild von Yannik
 
Mitglied seit 22.11.2012

Beiträge: 1.227


Yannik ist offline
Meine Fresse! Das glaubt einem doch kein Mensch, zumindest kein normaler! Aber was ist denn schon normal, wenn es um die Löwen geht? Nein, Freunde, eine Antwort darauf erwarte ich nicht wirklich.

Vor gar nicht allzu langer Zeit, noch nicht einmal zwei Monate ist es her, da war der Verein mausetot. Ich kann mich noch genau an den Tag und die Woche nach dem Abstieg erinnern. Das hatte etwas von Weltuntergangsstimmung, von totalem Desaster, vom absoluten Ende. Alle Zeitungen und Online-Portale, egal ob regional oder überregional, waren voll mit Spekulationen, Mutmassungen und Horrorszenarien über die nicht vorhandene Zukunft des TSV 1860. Insolvenz und Auflösung des Clubs inklusive.

Die handelnden Personen wie Spieler und Trainer haben fluchtartig das Weite gesucht, der Investor hat mal wieder seine Spielchen gespielt, das Präsidium hat sich nur kurz nach Spielende ebenso verdünnisiert und auch der mit viel Tamtam vorgestellte international renommierte Geschäftsführer hat schon vor dem Finale Furioso die Brocken hingeschmissen. Ja, und nicht zuletzt die Fans haben, nachdem sie schon Bier aus roten Bechern im roten Stadion trinken mussten, selbiges zerlegt und sich, nun ja, alles andere als ehrenvoll aus dem Profifussball verabschiedet. Gut, da wollten sie wohl der Mannschaft in nichts nachstehen, zumindest was die Aussendarstellung angeht. Hätte die Mannschaft allerdings nur eine Halbzeit lang diese Leidenschaft gezeigt, vermutlich wäre dann alles anders gekommen.

Aber wäre das auch gut gewesen? War es vielleicht genau so richtig wie es dann kam? Der Tag des Abstiegs als der Tag des Wiedererstarkens? Der Supergau ein Glücksfall für den Verein?

Nun, wenn man die Zeit nach dem Abstieg noch einmal Revue passieren lässt, dann lässt sich dieser Gedanke ja nicht völlig von der Hand weisen. Unter den gegebenen Umständen ist der Abstieg ja geradezu ein Glücksfall! Ja wie paradox ist dieser verdammte Verein denn tatsächlich? Das kann man doch einem Aussenstehenden gar nicht mehr erklären.

Ja, vierte Liga, Bayernliga, das ist jetzt die Realität, ein marodes Stadion mit einer Zulassung für nicht viel mehr als 14.000 Zuschauer, Gegner wie Memmingen oder Burghausen, lange Winterpause wegen des Fehlens von Rasenheizungen auf den ländlichen Bolzplätzen, eine Liga unter Unterhaching, ja genau, da wo jetzt die Sportkameraden Stahl und Hain, der ein oder andere mag sich noch daran erinnern, kicken. Aber wisst Ihr was? Es ist dem Löwenfan ganz offensichtlich scheissegal. Auch dass für Dauerkarten und Tagestickets Preise aufgerufen werden, die selbst in der Bundesliga ein Raunen durch die Stadien gehen lassen würden. Zefix, nein, im Gegenteil sogar, die Euphorie war seit Jahren nicht mehr so gross wie in den vergangenen zwei, drei Wochen. Nach "einmal Löwe, immer Löwe" lautet nun das Motto: "Liebe kennt keine Liga", und damit rennt die Marketingabteilung bei den Fans anscheinend offene Türen ein.

Und die Mannschaft? Endlich einmal, wie es scheint, eine gewachsene Einheit, kein zusammengekaufter Haufen aus Legionären aller Herren Länder, überbezahlt und nur bedingt leistungsbereit, endlich einmal ein Trainer der die entsprechende Liga kennt und der vor allem den Löwen schon immer und auch für immer im Herzen trägt, selbst ein Fan des Clubs, von jedem anerkannt und geschätzt. Und dann gewinnen sie auch noch die ersten beiden Saisonspiele, an Vergleichbares kann ich mich schon gar nicht mehr erinnern. Und was macht der Löwenfan? Er ist einfach nur glücklich. Man ist wieder wer, frei nach dem Motto der Weltmeistermannschaft von Bern 1954. Tabellenführer nach zwei Spieltagen. Zwar nur in der Bayernliga, aber geschenkt. Hauptsache gewonnen, gegen wen ist egal.

Auch der Presse ist die Liga anscheinend herzlich egal, endlich wird positiv berichtet über diesen Verein, alleine die vor kurzem noch verhasste Süddeutsche hat gestern auf ihrem Onlineportal 5(!) Artikel über die Löwen gebracht, einen ausführlichen Spielbericht mit entsprechenden Kommentaren, so als hätte es sich um ein Championsleague-Viertelfinale gehandelt und nicht um einen Sommerabend-Kick in einer Amateurliga. Fehlt heute quasi nur noch eine Zusammenfassung der internationalen Pressestimmen, aber gut, das wäre dann vielleicht doch des Guten ein ganz klein wenig zu viel.

Ja, Fussball ist ein Tagesgeschäft, und die vergangenen Tage waren für die Löwen halt einfach nur positiv. Da kann man Euch nur wünschen, dass dieses Momentum noch lange Zeit anhält. Etwas besseres kann für den Moment gar nicht passieren. Und wenn es also wirklich nur einen Abstieg und die Zurückstufung des Clubs in den Amateurbereich gebraucht hat, um dem Löwenfan wieder ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, das hätten sie aber auch schon viel früher haben können, und billiger, denn dann hätte sich der Jordanier einen Haufen Kohle gespart. Meine Fresse, normal ist das nicht. Aber wie eingangs schon erwähnt, was ist schon normal in diesem Verein?
Antwort erstellen         
Danke von