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Alt  03.08.2016, 13:22   # 490
magermag
 
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Beiträge: 34


magermag ist offline
Die Steuerfahndung ist doch in diesem Fall noch gar nicht fertig, darüber kann das Kammergericht noch nicht entschieden haben. Meine Vermutung geht dahin, dass man zunächst die Scheinselbständigkeit unterstellen wollte, die mehr an Sozialabgaben einbringt, aber die Umsatzsteuer ist immer fällig. Sind die Damen selbständige Subunternehmer oder Angestellte, dann zahlt das Artemis alle Umsatzsteuern auf die sexuellen Dienstleistungen, sind die Damen völlig unabhängig, sozusagen rein zufällig, dort, dann zahlt die jeweilige Dame die Umsdatzsteuer auf ihre Einnahmen, bzw. zahlt sie meist nicht. Dafür wird dann die pauschale Vorauszahlung von 30 € pro Tag und Dame vereinnahmt. Das ändert aber nichts an der Steuerpflicht, weil die Damen im Auftrag des Bordells auftraten, entweder als Angestellte oder als selbständige Subunternehmer, die das Erotikangebot der Homepage darstellten. Ein Pornokino wäre dafür wohl auch etwas zu wenig gewesen..

Es laufen seit einigen Jahren nach diesem Muster Razzien in ganz Deutschland und es gab bereits zahlreiche Urteile, mal mit und mal ohne Selbständigkeit, aber immer war der größte Posten die Umsatzsteuer.

ich spendiere mal einen Link dazu:

https://openjur.de/u/599977.html

Leider versteht man den steuerrechtlichen Teil nur schwer, aber das FG Hamburg hat sich das nicht allein ausgedacht, sondern es gab kurz vorher schon ein Urteil des OGH in Österreich, das leichter verständlich ist. Die Steuergesetze sind dort sehr ähnlich. Hier ein Link dazu

https://www.fiduzia.at/umsatzsteuer-v...-in-nachtclub/

Der Leitsatz lautet:

Bei der Frage der umsatzsteuerrechtlichen Zurechnung von Prostitutionsumsätzen in einem Nachtklub mit Separee kommt es nicht darauf an, ob die Prostituierte in einem Arbeitsverhältnis zum Bordellbetreiber steht oder sie als selbstständige Unternehmerinnen anzusehen ist.

Die Razzia, für die öffentlichkeitswirksam die Zwangsprostitution und die Scheinselbständigkeit nach vorne geschoben wurde, um sie dem Normalbürger verständlich zu machen (wie soll man die Umsatzsteuerfrage in eine BILD-Schlagzeile bringen?), hat der Steuerfahndung wertvolles Material geliefert, das nun über viele Monate hin ausgewertet werden muss. Davon werden wir nichts hören, bis dann in einigen Jahren eine Hauptverhandlung stattfindet. Unabhängig davon kommen aber nette Steuernachforderungen vom Finanzamt. Dafür ist eine Anklageerhebung oder gar eine Verurteilung gar nicht nötig. Aber ohne Razzia hätte man die notwenidgen Beweise nicht sichern können. Denn die Umsätze der Prostituierten müssen einigermaßen glaubhaft geschätzt werden. Dazu brauche ich deren Zahl pro Tag, die durch so eine Stichprobe an einem ganz normalen Mittwoch erhoben wird. Zusätzlich konnte man die anwesenden Gäste befragen, um ein Bild zu bekommen, wieviel die heute ausgegeben haben. Dann werden die angetroffenen Damen mit den Listen für die pauschale Steuervorauszahlung verglichen, denn wir alle können uns ja gut vorstellen, dass man statt vielleicht 100 Damen nur 50 notiert. Das spart immerhin 30 € mal 50, jeden Tag. Die 30 € zahlen zwar die Damen zusätzlich zu den 80 € Eintritt, aber hier möchte ich den Vorwurf "alles Theorie" gerne kontern: Ich fürchte, es ist eher alles Theorie, dass dort alles sauber ablief. Dafür ist einfach zuviel Geld im Spiel und Geld macht giereig, vor allem, wenn es 10 Jahre gutgegangen ist. Das sagt ein alter Praktiker auf diesem Gebiet.

Die diversen Richter, Staatsanwälte und sogar die Anwälte der Beschuldigten waren vermutlich noch nie im Artemis. Sie argumentieren daher am Ende genau so theoretisch wie ich. Was dabei herauskommen kann, zeigt das Urteil des FG Hamburg. Richter an einem Finanzgericht haben den gleichen Rang wie Richter am Kammergericht, sie verstehen nur mehr von Steuerrecht. Daher mein Rat nach wie vor: Alles erstmal auf kleiner Flamme kochen. Wer die Gerichte unterschätzt, hat schon verloren.
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Danke von