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Alt  03.07.2017, 13:56   # 69
kuching
Immer auf der Jagd
 
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American Crime – Der amerikanische Alptraum

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Natürlich, wie der Name schon sagt, ist ein scheußliches Verbrechen der Aufhänger der Serie, nur dass dieses Mal nicht die Ermittler und deren kaputte Seelen im Mittelpunkt stehen, sondern die, die mit dem Verbrechen als Opfer, Angehörige oder vermeintliche Täter in Verbindung stehen. Es wird ein schonungsloser Blick auf deren Leben inmitten von Rassismus, Genderwahn, Drogen und den eigenen gescheiterten Lebensläufen geworfen. Es ist das Amerika vor Trump und wenn man sich das so ansieht, dann könnte man – vielleicht - eine Ahnung bekommen, warum nur um Himmels willen die Verzweiflung so groß gewesen sein muss irgendeinen zu wählen, nur um überhaupt was zu ändern und sei auch das alles nur vergebene Mühe.

Es ist nur deprimierend, scheinbar ausweglos und auch wenn sich Einzelne noch so sehr bemühen amerikanischer und weißer zu sein als die Etablierten, sie laufen ab einem gewissen Punkt nur gegen die Wand. Verbitterung und Hilflosigkeit allerorten und als die schnelle und einfache Lösung eben doch nicht die Lösung oder besser gesagt, die Erlösung ist, scheinen auch die Reste von vielleicht zufriedenem Leben in sich zusammen zu fallen.

“Weren’t you very desirous to be done with your father and your racist mother? It’s a show. It’s over now.”

Es ist ein schonungsloser, ja fast selbst zerfleischender Blick auf God´s Own Country, da ist kein Glamour, keine First Nation Attitude, nur noch Leere, absolute Leere. Und wieder einmal hat ein – dieses Mal sehr bekannter US-Fernsehsender, ABC – den Mut gehabt eine solche Serie in Auftrag zu geben. Wäre so etwas in Deutschland möglich, zur Prime Time in ARD oder ZDF? Nein, wohl nicht… Vielleicht auch deswegen, weil man in der amerikanischen Serie eben nicht den Zeigefinger heben will: lasst die Bilder sprechen, sie sagen mehr als 1000 Worte. So wird auf die soldatische und unehrenhafte Vergangenheit des toten Ehemanns eingegangen, aber eben nicht mit anschwellender, bedeutungsschwangerer Musik und überdeutlichem Hinweis auf die Bilder. Nein, die Photos werden fast beiläufig in der Hand des Vaters gezeigt, 3 bis 4 Stück, die er sich ansieht und dann verbrennt. Mit dieser kurzen Sequenz ist alles gesagt und gezeigt, es muss nichts mehr erklärt werden, wir wissen Bescheid.

“If we as a people cannot forgive, then we as a people are cursed to hate.”

Die Moral von der Geschichte? Es gibt keine Moral mehr, sie hat ausgedient, ist gekündigt worden… Nur das nackte Überleben zählt noch in diesem Dschungel und irgendeiner muss doch Schuld haben und bezahlen, nur nicht ich und wenn doch, was hätte ich tun sollen, wenn alle anderen auch so sind und ich es einfach nicht schaffe stärker zu sein. Und die, die sich vielleicht doch mehr lieben als die anderen verlogenen Leute um sie herum, die haben von vorneherein eigentlich keine Chance. Das Leben aller betroffenen Personen bekommt eine grundsätzliche und unumkehrbare Wendung. Auch wenn für einen Teil Flucht eine Lösung zu sein scheint, so merkt der Zuseher doch oder er befürchtet sogar, das wird das Ende noch nicht sein.

“If the only reason I’m fighting is to save me.”…“Well I don’t know how to be good to myself like that anymore.”

Das ist auch kein Spoiler, das kann nicht „verraten“ werden, es ist der Gang dieser Geschichte, wie vorbestimmt… Es gibt keinen Ausweg, jedenfalls für die meisten in der Erzählung. Es ist wie das Ende der scheinbar heilen Konsens-Welt des zivilisierten Mittelstands, die da gerade beginnt zusammen zu krachen. Man kann ihnen nicht einmal die große „Vorwurfskarte“ hinhalten. Sie sind Gefangene ihrer Biographien, sie „können“ nicht anders und letztendlich scheitern alle Versuche das Seelenheil zu erlangen. Keiner kommt unbeschädigt raus aus der Geschichte, bis auf vielleicht eine Person – aber dazu mehr später unter „Spoiler“.

Wieder einmal ist den Amis ein ganz großer Serienwurf gelungen und wieder einmal waren Leute aus Hollywood nicht unmaßgeblich beteiligt. Die Qualität der Erzählung solcher Geschichten ist nach wie vor – fast – unerreicht und führt uns dann zu meinem Eingangsposting zurück: die besseren Geschichten werden zurzeit im TV erzählt. Natürlich läuft auch dort im Seriensegment viel belangloses Zeugs aber immer wieder gibt es Großartiges zu sehen.


Produktion und Idee stammen von John Ridley (Oscar fürs Drehbuch zu „Twelve Years A Slave“).

Nachdem ihr Sohn und Kriegsveteran Matt bei einem Einbruch ermordet wird und seine Ehefrau Gwen schwer verletzt wurde, suchen die geschiedenen Eltern Barbara Hanlon (Felicity Huffman, „Desperate Housewives) und Russ Skokie (Timothy Hutton, Oscar für „Eine ganz normale Familie“) nach Gerechtigkeit für den Verlust ihres Sohnes. Auch die Schwiegereltern von Matt, deren Tochter Gwen im Koma liegt, suchen einen Weg, um mit der schwierigen Situation zurechtzukommen. Als die Polizei vier Verdächtige festnimmt, kommen ungeahnte Geheimnisse zum Vorschein, welche die beiden Familien der Opfer vor weitere Bewährungsproben stellen. Derweil kämpfen die Verdächtigen und deren Angehörige gegen Rassendiskriminierung, das amerikanische Justizsystem und die Ressentiments der Opferfamilien.


https://www.youtube.com/watch?v=P2gA1RNPjIE


Achtung Spoiler!!!

Hector der illegale Mexikaner, der glaubte er könne einen Deal machen, um dann doch wieder zurück nach MEX zu müssen, kommt scheinbar als einziger „Gewinner“ aus der Geschichte raus.

Es wird nie klar, wer denn jetzt eigentlich das Verbrechen begangen hat und imho spricht einiges dafür, dass es Hector war, anderes wiederum aber auch nicht. Aubrey war es meiner Meinung nach nicht, auch wenn sie angeblich „Täterwissen“ hat. Sie gesteht nur, weil sie Carter retten will. Carter, der in der letzten Folge seiner Schwester etwas ins Ohr flüstert, worauf diese sehr bestürzt reagiert, könnte natürlich – und das ist dann auch die wahrscheinlichste Lösung – der Täter sein. Das würde auch das „Täterwissen“ von Aubrey erklären…


Spoilerende
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