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Alt  12.07.2017, 17:48   # 70
kuching
Immer auf der Jagd
 
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4 Blocks – auf TNT (wird derzeit wiederholt)

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Vorbemerkung

Eine neue deutsche Serie und dazu eine große Herausforderung, berührt sie doch ein Thema, das manchmal rational, viel häufiger jedoch emotional „diskutiert“ wird und letztendlich eines ist, bei dem alle mitreden können und wollen, weil es einerseits die Urängste vor Gesetz- und Hilflosigkeit und andererseits einfach die Schlagzeilen beherrscht, jedenfalls zuverlässig von Zeit zu Zeit.

Amerikanische Serien über die „Gesetzlosen“ gibt es zuhauf. Da es weit weg von uns spielt, ist es wesentlich leichter, Klischees erst gar nicht an sich heranzulassen, eventuell sogar „Sympathien“ für die „Gesetzlosen“ zu empfinden und den gnadenlosen Blick auf die Deformationen in der Gesellschaft sogar zu genießen. Mag man die Schauspieler, man beurteilt die filmische Erzählung, Optik, die Produktion und freut sich ehrlich über den Showrunner, der das alles im Griff hat und uns im besten Fall ein paar tolle Stunden Unterhaltung auf höchsten Niveau beschert.

Und nun Neukölln und/oder Kreuzkölln, der Görlitzer Park, die Sonnenallee, die Karl-Marx-Straße, der „Kotti“? Ein Glas wohlschmeckender, bestens gekühlter Weißwein und einen Espresso nach dem Verzehr einer schönen Portion spagetthi al pesto auf der Couch sitzend und mit wohligem Schauer die Serie anschalten, geht das überhaupt? Es kommt darauf an….

Handlung

4 Blocks handelt und spielt in Neukölln. Ein libanesischer Familien-Clan, deren Hauptprotagonisten sehr lange vor der aktuellen Flüchtlingskrise nach Deutschland kamen (in den 80igern, damals wohl vertrieben von christlichen Milizen und die in Deutschland nur zu einem kleinen Teil als anerkannte Flüchtlinge Asyl erlangten), leben als „Geduldete“ in Berlin und dürfen nicht arbeiten („Jeder Asylant hat mehr Rechte als wir“). Trotzdem fahren sie AMGs und wohnen in besonders schönen Berliner Wohnungen, haben riesige Flat-Screens und natürlich alle schöne Frauen. Die Berliner Polizisten kommen eher blass und unterprivilegiert daher. Kein Wunder, sind die Libanesen doch groß im Schutzgeld-, Drogen-, Prostitutions- und Automatengeschäft unterwegs. Die jungen Mitglieder des Clans schauen derweil, dass die Afrikaner, die den Stoff im „Görli“ verticken, auch anständig arbeiten. Dabei wird sich auch schon mal über Jogis „falsche 9“ und „Müller ist kein richtiger Stürmer“ unterhalten und das Adidas-Shirt der deutschen Nationalmannschaft scheint überaus beliebt zu sein.

Ali –„Toni“ Hamady, der Boss des Clans (gespielt von Kida Khodr Ramadan) will sich eigentlich mit Frau und Kind ins Privatleben zurückziehen. Nach 26 Jahren winkt endlich der deutsche Pass, er will sich ein Mietshaus kaufen und richtig bürgerlich werden. Da wird bei einem Polizeieinsatz sein Schwager Latif (Wasiem Taha alias Rapper „Massiv“) hochgenommen, das Rauschgift beschlagnahmt und er muss wieder ran und die Probleme lösen, vor allem Nachschub besorgen. Das ist alles andere als leicht und selbst ein weiterer Clan kann da nicht helfen („Wir haben damals in Beirut den Bürgermeister gestellt, ihr habt nur die Ziegen gehütet“). Eine Rockergang macht Ihnen auch noch Revier und Geschäft streitig und zu alledem ist auch noch ein Polizist eingeschleust worden (Vince, gespielt von Frederik Lau).

So nimmt das Unheil seinen Lauf. Alis Bruder Abbas (Veysel Gelin) überaus aggressiv, ist sowie schon der Meinung, Ali sei zu weich geworden. Seine Frau Kalila (Maryam Zaree) macht auch noch Druck und traut Ali und seinen Versprechungen von einem Ausstieg nicht mehr…

Schlussbemerkung

Die Umsetzung ist für eine deutsche Serie phänomenal gut gelungen. Da stimmt der Sound (den liefern Veysel und Massiv), die Dialoge, die Schauspielerwahl ist sehr stimmig und Berlin respektive Neukölln an der Grenze zu Kreuzberg bildet den für die Geschichte würdigen und atmosphärischen Rahmen. Die Schlussfolge bietet den passenden Höhepunkt und genug Spielraum für eine Fortsetzung.

Diedrich Diederichsen schrieb in der ZEIT:

Den deutschen Blick auf das arabische Leben in Berlin und den männlichen auf die Gangsterbräute erst mit ein paar Stereotypen bedienen, diese dann wieder dekonstruieren und dabei noch klar erkennbare Figuren herstellen, die nicht zu holzschnitthaft ausfallen sollten – das macht viel Arbeit.
Und diese Arbeit hat sich gelohnt. Es ist natürlich nicht das gesellschaftspolitisch erklärende oder verbrämte Einwanderungsdrama, nicht das „Zeigefinger heben“-Feature im politischen Diskurs, es ist eben doch „nur“ eine Mafia oder Familien-Clan-Geschichte, die aber dennoch nicht aus der Zeit fällt oder im leeren Raum schwebt, sondern zum Teil sehr fein gezeichnet der politischen oder gesellschaftlichen Sprengkraft ihren Platz lässt: sei es bei den Anleihen an der Böll´schen „Anekdote über die Arbeitsmoral“ oder beim Vorwurf an den jungen und hippen Kneipier, der nur englisch spricht und kann, „…er solle gefälligst deutsch reden, man sei ja schließlich in Deutschland…“ bis hin zur Aussage, dass „..wir nicht für Deutsche arbeiten…“.

Es ist wie es ist… Die Serienmacher haben sich auf die „Mafia-Geschichte“ konzentriert ohne den Rest zu verschweigen. Jeder mache sich sein eigenes Bild und bei alledem darf nie vergessen werden: dies hier ist alles nur Show im TV. Für das wirkliche Leben hat Mark Twain einen passenden Spruch:

“Truth is stranger than fiction, but it is because fiction is obliged to stick to possibilities; Truth isn't.”

Die 2. Staffel ist schon bestellt…

https://www.youtube.com/watch?v=OUP-Ino8oGc

https://www.youtube.com/watch?v=QgOUNlr4sHQ
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