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Alt  01.09.2017, 11:11   # 1183
woland
Huren-Genießer
 
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woland ist offline
Der Druck von den Islamverbänden und den lokalen Moscheen auf die Familien ist bei den deutschen Türken zweifellos größer als durch unsere Pfarrer und Religionslehrer, wobei es den zeitlich begrenzt und lokal auch gibt. Die Moslems sind das aber seit Generationen gewöhnt und fügen sich viel eher als unsere seit ca. 1968 "ungehorsamen" Generationen. Soweit mache ich den einzelnen Türken keinen Vorwurf.

Was mindestens so problematisch ist, ist der Nationalismus, der zunehmend gepflegt wird und nicht erst seit Erdogan. Dieser, schlechte Sprachkenntnisse, überwiegend schlechter bezahlte Jobs etc. führen zu einem Minderwertigkeitsgefühl, das von orientalischen Temperamenten sehr schnell überkompensiert wird. Diese Abgrenzungen, ausschließlich türkisches TV und das religiöse Verbot der Freundschaft mit Ungläubigen bedingen nicht selten das Gefühl, in einer feindlichen Umwelt zu leben.

Nun gibt es ja viele ausgesprochen nette Türken, z.B. unser Gemüsehändler oder türkische Kollegen in der Arbeit. Aber auch hier gibt es Tabus: Man erwähne niemals das uralte Armenienproblem, da kochen die nettesten Türken sofort hoch! Der Nationalismus, der jede kritische Beschäftigung mit der eigenen Geschichte verhindert (genau wie mit dem "heiligen" Koran) ist tief verankert und verhindert jede Aufarbeitung. Vor diesem Hintergrund könnte man die Konvertierung der Türkei in einen Laizistischen Staat durch Kemal Atatürk als Wunder bezeichnen, wenn sie vollständig und nachhaltig in den Köpfen stattgefunden hätte. Hat sie aber nicht, genau wie die Religiösen in Russland sich wieder in den Vordergrund spielen und gleichzeitig die Alt-Stalinisten und unsere Ewiggestrigen nicht aussterben wollen.

Und für die alle gilt Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit. Das führt zu fundamentalen Missverständnissen; denn diese Freiheiten gelten nicht für jene, die unter Inanspruchnahme dieser Freiheiten genau diese anderen nicht in vollem Umfang gewähren wollen. Und genau das tun Nationalisten und Fundamental-Religiöse, unsere christlichen nicht ausgenommen. Die nicht sehr bekannten beiden letzten Artikel der Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte formulieren das so:
Artikel 29 (Grundpflichten)

Jeder hat Pflichten gegenüber der Gemeinschaft, in der allein die freie und volle Entfaltung seiner Persönlichkeit möglich ist.

Jeder ist bei der Ausübung seiner Rechte und Freiheiten nur den Beschränkungen unterworfen, die das Gesetz ausschließlich zu dem Zweck vorsieht, die Anerkennung und Achtung der Rechte und Freiheiten anderer zu sichern und den gerechten Anforderungen der Moral, der öffentlichen Ordnung und des allgemeinen Wohles in einer demokratischen Gesellschaft zu genügen.
Diese Rechte und Freiheiten dürfen in keinem Fall im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen ausgeübt werden.

Artikel 30 (Auslegungsregel)

Keine Bestimmung dieser Erklärung darf dahin ausgelegt werden, dass sie für einen Staat, eine Gruppe oder eine Person irgendein Recht begründet, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung zu begehen, welche die Beseitigung der in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten zum Ziel hat.

Quelle: UN Department for General Assembly and Conference Management German Translation Service (Stand: 30.10.2009) https://www.ohchr.org/EN/UDHR/Pages/L...spx?LangID=ger
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Den Teufel spürt das Völkchen nie, und wenn er es am Kragen hätte! (Mephistopheles in Goethes Faust)
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