Mnesarete („Eingedenk der Tugend“) wurde im 4. Jh. vor Chr. in Thespiai im Süden Böotiens geboren. Sie war ein armes Mädchen das sich als Kapernhändlerin durchschlug, bis sie nach Athen gelangte und ihre Reize als
Hetäre feilbot. Ihr Name Phryne ("Kröte") erhielt sie wegen ihrer blassen (leicht olivfarbenen) Haut. In Athen gelangte sie zu großem Reichtum und Ansehen, so daß sie anbieten konnte, die Mauern Thebens auf eigene Kosten wieder aufzubauen, wenn die Thebaner die Inschrift darauf setzten: »Alexander hat sie zerstört, die Hetäre Phryne wieder aufgebaut«. Aber dies wurde nie umgesetzt - die Thebaner schleiften im peleponnesichen Krieg 424 v. Chr. die Stadtmauern Thespiais als Thespiai nach einem Angriff der Athener stark geschwächt war.
Phryne galt in ihrer Blütezeit als die ideale Verkörperung der Schönheit bzw. als die Repräsentantin der Göttin der Schönheit Aphrodite. Angeblich soll niemand in der Lage gewesen sein, ihren Reizen zu widerstehen. Sie hatte viele berühmte Bekannte und Freunde - darunter Praxiteles, Apelles und Hypereides.
Praxiteles war ein berühmter attischer Bildhauer und wurde von den Bewohnern von Kos beauftragt eine Statue der Göttin Aphrodite zu erschaffen. Die Legende erzählt Phryne habe hierfür Modell gestanden. Praxiteles erschuf zwei Statuen: eine bekleidete und eine vollständig nackte Aphrodite. Die nackte Statue wurde von den geschockten Bewohnern von Kos zurückgeweisen aber dafür von den Einwohnern der Stadt Knidos erworben. Diese stellten die Statue in einen eigens dafür errichteten Tempel wo man sie von allen Seiten betrachten konnte. Und damit nahm die Geschichte ihren Lauf ... die knidische Aphrodite wurde weltberühmt, sogar als Münze geprägt, und zum bedeutendsten Werk Praxiteles. Diese Statue wurde der Inbegriff des Typus der Venus pudica (schamhafte Venus) und mannigfaltig kopiert, nachgeahmt und begründete ein eigenes ganzes antikes "Genre" von Statuen. Plinius schreibt hierzu: "Die Venus des Praxiteles übertrifft alle Kunstwerke der ganzen Welt. Viele haben die Seefahrt nach Knidos unternommen, bloß um diese Statue zu sehen." Einer Legende zufolge soll die Göttin Aphrodite schließlich selbst nach Knidos gefahren sein um anschließend zu fragen: „Wo hat mich Praxiteles denn nackt gesehen?“ Im übrigen ist die bekleidete Statue aus Kos im Dunkel der Geschichte verschwunden - sie wird in keinem zeitgenössichem Bericht weiter erwähnt ...
Apelles wiederum war Maler. Nach Athenaios hat Apelles Phryne beim Fest von Eleusis nackt aus dem Meer steigen sehen - und diente damit und in späteren Sitzungen der Legende nach als Modell für Apelles Aphrodite Anadyomene. Nach Plinius wiederum soll es Kampaspe, die Lieblingskonkubine Alexander des Großen gewesen sein, die Apelles inspirierte. Aber wer weiß das schon so genau. Auf jeden Fall hing Apelles Gemälde Aphrodite Anadyomene im Aklepsiostempel zu Kos. In späteren Zeiten soll es durch Augustus nach Rom gebracht worden sein. Keines von Apelles Gemälden überlebte die Zeit - sie sind alle nur schriftlich überliefert. Aber dieses Gemälde und sein Sujet wurden welberühmt und oft kopiert: Eine Schönheit, eben dem Meer entstiegen, sich graziös das Wasser aus dem Haar wringend. Aphrodite Anadyomene - die "entsteigende" oder "aus dem Meer steigende" bezieht sich letztlich auf die von Hesiod überlieferte Sage von der Geburt der Aphrodite, die auf Zypern dem Schaum des Meeres entstiegen sein soll, nachdem sich Blut und Samen aus dem abgeschnittenen Geschlecht des Uranos mit dem Wasser des Meeres vermischt hatten. Am bekanntesten sind wohl Tizians "Anadyomene" oder Botticellis "Geburt der Venus".
Phryne wiederum ist möglicherweise ihre Berühmtheit und Erfolg etwas zu Kopf gestiegen. Wegen Phrynes Behauptung, ihre Schönheit könne mit der der Aphrodite mithalten, wurde sie der Gottlosigkeit (Asebie) angeklagt. Andere Quellen sagen sie wurde von Euthias einer todeswürdigen Gotteslästerung beschuldigt: sie sei bei den Aphrodisien (Feste zu Ehren Aphrodites) in Aigina nackt ins Meer gestiegen. Vielleicht wollte sich Euthias aber nur rächen, weil er nie Ihre Gunst erringen konnte oder sie materielle Forderungen an ihn für ihre Dienste hatte. Auf jeden Fall entwickelte sich diese Anklage alsbald zu einem heftigen Skandal in ganz Athen. Hypereides war ein skandalumwitterter Politiker und Lebemann und wohl auch Phrynes Liebhaber: „Als Hypereides die Hetäre Phryne in dem Prozess verteidigte, ohne Eindruck zu machen (…), ließ er sie vorführen, zerriss ihre Kleider, entblößte ihren Busen und brachte bei ihrem Anblick seine Beschwörungen in einem so mitleiderregenden Ton vor, dass er die Richter mit einer Art religiöser Scheu erfüllte, die Prophetin Aphrodites zu verurteilen.“ Andere Quellen sagen Phryne habe ihre Haare herabgelassen, ihr Gewand abgelegt und den Versammelten ihren nackten Körper als "Beweismittel" vorgebracht. Ihre Nacktheit überzeugte die Richter davon, dass die vollkommene und makellose Schönheit dieses Körpers gottgewollt ist, und es somit unmöglich eine Gotteslästerung sein kann, ihn bei den Mysterienspielen nackt zu zeigen. Aber vielleicht hatte Phryne auch einfach nur "gute Bekannte" im Areopag (Gericht).
Wie auch immer - Phryne wurde freigesprochen. Selbst in ihren späteren Jahren soll es als eine Ehre gegolten haben, ihre Gunst zu besitzen ...
Auch hierzu gibt es eine Gemälde: Jean Léon Gérôme "Phryne vor dem Areopag“ (1861), Hamburger Kunsthalle
Weitere Werke durch Phryne inspiriert - sicherlich nicht vollständig und nicht alle erstklassig - viele dem Historismus zuzuordnen:
- diverse antike Theaterstücke
- Henryk Siemiradzki: diverse Gemälde, Russisches Museum, St. Petersburg
- Artur Grottger: Gemälde "Phryne", Czartoryski-Museum, Krakau
- Élias Robert: Statue "Phryne", Louvre, Paris
- José Frappa: Gemälde "Phryne", Musée d’Orsay, Paris
- James Pradier: Bronzestatue "Phryne", Louvre, Paris
- Gustave Boulanger: Gemälde "Phryne", Van Gogh Museum, Amsterdam
- Paul Emile Berthon: Grafik "Phryne", Bibliothèque nationale de France, Paris
- Adolf Brütt: Statuette und Statue "Phryne"
- Louis Chalon: Gemälde "Phryne aux fetes de Venus"
- William Turner: Phryne besucht als Venus das öffentliche Bad: Demosthenes wird von Äschines getadelt, Tate Gallery
- William Wetmore Story: Gedicht
Praxiteles and Phryne
A THOUSAND silent years ago,
The twilight faint and pale
Was drawing o'er the sunset glow
Its soft and shadowy veil;
When from his work the Sculptor stayed
His hand, and turned to one
Who stood beside him, half in shade,
Said, with a sigh, "'T is done.
"Thus much is saved from chance and change,
That waits for me and thee;
Thus much—how little!—from the range
Of Death and Destiny.
"Phryne, thy human lips shall pale,
Thy rounded limbs decay,—
Nor love nor prayers can aught avail
To bid thy beauty stay;
"But there thy smile for centuries
On marble lips shall live,—
For Art can grant what Love denies,
And fix the fugitive.
"Sad thought! nor age nor death shall fade
The youth of this cold bust;
When this quick brain and hand that made,
And thou and I art dust!
"When all our hopes and fears are dead,
And both our hearts are cold,
And love is like a tune that 's played,
And life a tale that 's told,
"This senseless stone, so coldly fair,
That love nor life can warm,
The same enchanting look shall wear,
The same enchanting form.
"Its peace no sorrow shall destroy;
Its beauty age shall spare
The bitterness of vanished joy,
The wearing waste of care.
"And there upon that silent face
Shall unborn ages see
Perennial youth, perennial grace,
And sealed serenity.
"And strangers, when we sleep in peace,
Shall say, not quite unmoved,
'So smiled upon Praxiteles
The Phryne whom he loved!'"